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re:publica und Deutschland

This blogpost are my thoughts about bloggers, journalists, politicians, ordinary people, police and privacy advocates induced by the german blogger conference re:publica ’09. Main point: we need more productive, in-depth discussions in Germany about how the internet will change our society.

re:publica 2009

Dieses Wochenende hat man ja allerlei von der re:publica gehört, sei es von denen die dort waren oder solchen, die es nicht waren. Auch ich gehöre zu den letzteren, hauptsächlich deswegen, weil wir letzte Woche mit dem Büro umgezogen sind. Trotzdem muss ich sagen, hat mich das Programm nicht allzu sehr angesprochen, auch ich wäre wohl hauptsächlich wegen der Leute hingefahren. Und so gab es auch andere Stimmen (von denen die dort waren), dass alles zu seicht gewesen wäre, keine richtigen Diskussionen aufgekommen wären und alles sehr basic von der Thematik her war.

Diese Meinung hängt aber natürlich auch viel von dem eigenen Wissensstand ab. Wir wollen mal hoffen, dass bei 1500 Besuchern und Erwähnung in den Massenmedien auch der ein oder andere „normale“ Bürger anwesend war und dieser das Ganze vielleicht ganz anders wahrgenommen hat.

Im übrigen ist es ja z.B. bei Barcamps, aber auch bei manchen Konferenzen nicht unähnlich (ich denke da z.B. an die Web2.0 Expo). Auch dort habe ich nicht das Gefühl, dass ich viel neues gelernt hätte und fahre wohl auch mehr wegen der Leute hin.

Machen oder Konsumieren

Eine andere Frage wäre, warum solche Treffen aber nicht produktiver sind. Meist sind (deutsche) Barcamps ja eigentlich nur für die Informationsverbreitung gut. Dass man sich mal zusammensetzt und versucht ein Thema weiterzuentwickeln ist da eher die Ausnahme. Es ist auch nicht wirklich einfach, wenn man ein generelles und kein themenbezogenes Barcamp hat. Da ist dann der Kenntnisstand sehr unterschiedlich und man müsste eigentlich erstmal eine einführende Session machen, die aber auch nicht viel hilft, denn weiter kommt man ja nur, wenn man sich eher eingehend mit einem Thema und dessen Problemen beschäftigt hat.

Dies scheint im übrigen bei themenbezogenenen Barcamps auch manchmal so zu sein. Ich erinnere mich noch gut, wie Ralf Bendrath nach dem IdentityCamp in Bremen meinte, dass er erwartet hätte, dass man mehr in die Tiefe geht und die Themen nicht erstmal erklären muss.

Hinzu kommt auch noch, dass ich manchmal das Gefühl habe, dass Deutschland meilenweit hinterherhinkt und sich für aktuelle, international diskutierte Themen nicht sonderlich interessiert, sondern eher abwartet, bis diese alle zu Ende entwickelt sind und man dann mal eine Barcamp-Session anbietet, die diese tollen neuen Dinge aus dem Valley erklärt. Dabei kann man ja durchaus mitmachen, auch wenn man nicht gerade an der US-Westküste sitzt. Ein Thema, was mir da am Herzen liegt, ist z.B. Data Portability/Open Web. Diese Themen werden anscheinend von deutschen Web-Entwicklern bislang nur am Rande wahrgenommen, obwohl Yahoo, Google, MySpace und sogar Facebook schon fleissig in der Entwicklung aktiv sind. Und dazu gibt es sogar sehr produktive Meetings, wie z.B. den Internet Identity Workshop, wo man wirklich etwas zusammen entwickelt (zusammen mit den genannten Firmen). Daher ist es schade, dass hier so wenig passiert. Deutschland liebt es anscheinend, immer hinterherzurennen und die tollen Dinge von dort lieber dann zu kopieren, wenn sie fertig und evtl. ein bisschen erfolgreich sind.

Es bleibt also die Frage, ob sowas generell in Deutschland nicht möglich ist oder nur der richtige Ansatz fehlt. So wäre ja z.B. die re:publica ein super Ort, wo ein paar Gruppen, die sich sonst eher anfeinden, zusammenkommen könnten, um gemeinsame Lösungen für gemeinsame Probleme zu finden.

Hier ein paar Beispiele.

Blogger vs. Journalisten

Dieser Streit ist ja fast schon klassisch. Beide Seiten tun im Prinzip etwas sehr ähnliches, nämlich Inhalte zu erzeugen und zu veröffentlichen. Die einen machen dies etwas persönlicher und auch mehr meinungsbasiert, die anderen recherchieren dafür wohl etwas mehr (auch wenn ihnen vorgeworfern wird, dies nicht mehr zu tun). Die einen sind kompetenter, was die Nutzung neuer Medien angeht, die anderen in der eigentlichen Technik der Inhaltserstellung. Warum da jetzt aber anscheinend so eine grosse Kluft zwischen den beiden Parteien herrscht, ist mit relativ unbegreiflich. So können doch beide Seiten viel voneinander lernen und so vielleicht zu generell besserer Qualität finden.

Hier wäre vielleicht mal ein gemeinsamer Workshop gut. Eine Podiumsdiskussion tut es da wahrscheinlich nicht, da es dort ja wieder um Selbstdarstellung geht und man das Thema ja auch noch für das Publikum erklären muss.

Bürger vs. Politiker

Auch Bürger und Politiker scheinen zwei Gruppen zu sein, die eher wenig miteinander zu tun haben wollen. Die einen sagen „ach die da oben“ und was die anderen sagen, weiss ich gar nicht so genau, denn auch meine E-Mails antworten sie nicht ;-)
Das ist natürlich schade, denn schliesslich sollen Politiker ja die Bürger vertreten.

Auch scheint politisches Blogging in Deutschland nicht so sehr verbreitet zu sein (oder ich kenne die Blogs nicht, bitte nennt sie mir!), was vielleicht auch an der Angst liegen mag, etwas Falsches zu schreiben (wie ja auf wirres.net angemerkt, was ich persönlich auch nachvollziehen kann). So wollte ich ja so etwas ähnliches wie „Wahl im Web“ machen, als das im ZDF zur Hessenwahl lief, aber spontan Leute zu finden, die sich trauen, was dazu zu sagen, war nicht möglich (es wäre eh auch nicht besser als das im ZDF geworden, denke ich mal, aber mir ging es mehr darum, dass man das auch alles selbst machen könnte).

Die Angst vor der eigenen politischen Unbedarftheit sollte aber IMHO niemanden davon abhalten, seine Meinung kundzutun und an Diskussionen teilzunehmen, denn schliesslich sind 99% der Bevölkerung in diesem Stadium. Sollen die nun alle schweigen müssen aus Angst, etwas Falsches zu sagen? Wenn es um Internetthemen geht, sagt man ja dann doch eher mal seine Meinung. Und wenn es um die ganzen Riten der Politiker geht, die man als Politikjournalist zu interpretieren weiss, dann frage ich mich, ob diese noch lange Bestand haben werden, denn auch hier werden neue Kommunikationsformen, die direkter sind, irgendwann Einzug halten.

Hier sollten sich eher die Politiker ändern, denn schliesslich vertreten die mich und somit sollten sie alle Möglichkeiten ausschöpfen, mit mir zu kommunizieren und sich mir verständlich zu äussern. Dazu gehört vielleicht auch, dass die Prozesse in der Politik und die ganze Bürokratie drumrum verständlich sind. So erinnere ich mich, dass das Format eines Textes zum EU-Telekom-Paket und auch der ganze Prozess der Entscheidungsfindung drumrum für Verwirrung gesorgt hat.

Was die re:publica (oder auch Barcamps) angeht, so wäre dies vielleicht der Ort, wo mehr Politiker und Blogger mal zusammenkommen könnten, um zu diskutieren, wie man denn besser kommunizieren kann. Aber auch hier wäre eher ein Workshop geeignet als eine einstündige Podiumsdiskussion. Es wäre schön, wenn daraus dann z.B. neue Kommunikationsplatformen entstehen würden.

Datenschützer vs. Strafverfolger

Ein weiteres spannendes Thema, was wohl in der Blogosphäre noch eher vorkommt und uns sicherlich auch noch in der Zukunft beschäftigen wird, ist das Spannungsfeld zwischen Datenschutz und Strafverfolgung im Internet. So wird z.B. immer gleich von Bloggern draufgehauen, sobald irgendeine Institution irgendeinen Zugriff auf irgendwelche Daten von uns bekommt. Andererseits beschweren sich Polizisten, dass sie im Internet eigentlich fast nichts ermitteln können, da sie keinen Zugriff auf entsprechende Daten haben.

Hier wird in Zukunft noch viel passieren und auch passieren müssen. Ich denke nämlich nicht, dass das Internet ein rechtsfreier Raum sein darf, vor allem wenn man davon ausgeht, dass es in ein paar Jahren fast unser ganzes Leben bestimmt (für manche ja jetzt schon). Es müssen also irgendwelche Zugriffe von Seiten der Polizei möglich sein. Wie weit diese gehen und wie diese kontrolliert werden, ist die spannende Frage, die sicherlich auch darüber entscheidet, in was für einer Gesellschaft wir in Zukunft leben werden.

Es wäre also eine sehr interessante Diskussion, wenn man sie denn entstehen lassen würde. Stattdessen verteufeln sich beide Seiten, was vielleicht auch eine Art der Diskussion wäre, die aber IMHO nicht so richtig produktiv ist. Hier kommen auch wieder Politiker mit ihrer bedenklichen Internetkompetenz ins Spiel. Leicht werden Dinge entschieden, die nichts bringen (wie z.B. DNS-Sperren, was aber wohl mehr mit Wahlkampf zu tun hat) oder aber man sieht die Konsequenzen nicht (z.B. für unsere Demokratie).

Auch hier wäre sicher die re:publica ein geeigneter Ort, solche Dinge zu diskutieren. Aber ich bin mir mal wieder nicht sicher, ob eine Podiumsdiskussion die geeignete Form ist. Vielleicht als Einstieg, aber danach müsste noch ein Followup kommen, wo man vielleicht auch mal was aufschreibt.

deutsch vs. english

Eine andere Sache wäre noch die Frage, ob man eine Konferenz auf deutsch, englisch oder gemischt hält. Ich persönlich bin kein grosser Freund davon, das gemischt zu machen, einfach deswegen, weil man die angereisten englisch-sprachigen Referenten damit von weiteren Diskussionen ausschliesst. Generell bin ich sogar dafür, das nur auf englisch zu machen, denn die meisten Themen sind nicht nur auf Deutschland beschränkt. Hier wäre es sicherlich gut, mehr international zu diskutieren.

Dass dies in Deutschland nicht gut ankommt, weiss ich aber auch. So hört man ja immer wieder kritische Stimmen, wenn z.B. ein Barcamp mit internationalen Gästen auf englisch gehalten wird. Warum das in Deutschland mit dem Englischen zu schwierig ist, weiss ich aber auch nicht. Ich dachte, das lernt man in der Schule. Wenn ich da Länder wie Schweden sehe, ist das scheinbar alles kein Problem. Vielleicht sollten wir einfach mal aufhören, Filme zu synchronisieren ;-)

Was tun?

Das weiss ich leider auch nicht ;-) Generell kann man natürlich immer sagen: Mach’s doch besser. Und generell versuch ich dann auch was selbst und besser zu machen. Eine Konferenz werde ich jetzt allerdings nicht auf die Beine stellen, denn der Tag hat nur 24 Stunden. Das hier geäusserte Feedback muss also reichen.

Ich würde auch gerne die angesprochenen Themen weiterentwickeln, so sich denn Leute finden (z.B. auf Barcamps), die dieses auch tun wollen. Dazu müssen aber natürlich auch Mitglieder der „anderen Seite“ der oben genannten Paare vertreten sein. Und dies sehe ich am ehesten noch auf der re:publica gegeben. So erinnere ich mich an letztes Jahr, wo dort eine interessante Diskussion zum Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk stattfand, es allerdings kein Follow-Up gab, da es anscheinend keinen Ansprechpartner gab und die Hauptaussage war, dass man einen Brief schreiben solle.
Aber vielleicht kann man das ja ausbauen und vielleicht bessere Fragestellungen und einen Moderator an die Hand geben, der auch versucht, etwas produktives aus den Podiumsteilnehmern herauszukitzeln.

Wie auch immer es kommt, nächstes Jahr versuche ich dann auch wieder, in Berlin zu sein. Ich hoffe, dass es dann auch klappt, denn von der Ferne zu beurteilen fällt natürlich schwer. Dieser Blogpost soll daher auch nicht so sehr Kritik an der re:publica sein, sondern eher an Deutschland ;-)

Meine Meinung: Wir brauchen mehr produktive, in die Tiefe gehende Diskussionen darüber, wie das Internet unsere Gesellschaft verändern soll oder kann. Und dies mit allen Beteiligten. Und dies zusammen.

(Das Foto wurde von Daniel Seiffert gemacht)

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