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Medientage München: Von Blogs und PDFs…

Wenn man wissen will, wie es früher war, dann geht man zu den Münchner Medientagen. Das ist der Eindruck, der sich bei mir nach 2 Tagen Medientagen eingestellt hat. Und dabei, so ein langjähriger Beobachter, sei es dieses Jahr schon recht progressiv gewesen, die letzten Jahre ging es wohl eher um das Zukunftsmedium Print.

Der digitale Kiosk

So ganz hat man Print aber wohl noch nicht hinter sich gelassen, denn ganz gross im Kommen, so scheint es, sind digitale Kioske. Der Marktführer hier natürlich Apple mit dem Newsstand. In Deutschland gibt dagegen keinen Marktführer, sondern nur viele zersplitterte Angebote, wie Springers iKiosk (der nur Springer-Titel enthält), PagePlace der Telekom oder pubbles.

Der Mangel an einem möglichst kompletten Sortiment an Zeitschriften wurde dabei damit abgetan, dass auch reale Kioske nicht alle Zeitschriften hätten, also z.B. der Kölner Kiosk keine Kieler Nachrichten. Von Long Tail und so hat man anscheinend noch nichts gehört und der Grund für die Vorherrschaft von Apple, Amazon und Co. wäre demnach auch schnell gefunden.

Auch Schuld seien aber langwierige Verhandlungsprozesse mit Verlagen oder gewisse Eifersüchteleien, mit denen Christoph Keese den Mangel an nicht-Springer-Titeln bei iKiosk begründete. Und wenn ich das richtig verstanden habe, hielt er die Abgabe von 30% an Apple dort für zu hoch, fand aber, wenn ich das richtig verstanden habe, eine Spanne von 20-30% beim eigenen Kiosk gar nicht so schlecht (wahrscheinlich eher so bei 29%). Derzeit sind es wohl 10% bei iKiosk, wie in den Kommentaren zu lesen ist, von daher ist mir nicht ganz klar, was Herr Keese meinte, vielleicht kann er das noch präzisieren.

PDF!

Auf die Frage des Moderators Florian Stadel, warum denn iKiosk nur auf PDF setzen würde, erging sich Keese in einem 10-minütigen Lobgesang auf PDFs. Der PDF-Markt sei unterbewertet, man könne PDFs schon einfach so super lesen und „mit unserer Vergrößerungsfunktion kann man das dann ganz prima lesen“. Er betonte zudem, dass man mit PDFs Geschichten opulent erzählen könne (siehe BILD), also nicht so wie vor der DTP-Zeit und dass Kunden ein PDF ja auch gerne mal auf Reisen mitnehmen wollen würden.

Auf die Frage nach HTML5 und vielleicht interaktiveren Formaten wurde von Bernhard Ribbrock, Manager bei PagePlace geantwortet, dass PDF ja standardisiert sei, im Unterschied zu interaktiven HTML5-Formaten.

Auf die Idee, dass man hier irgendwie mal innovativ tätig und Vorreiter werden könnte – vielleicht sogar mitzuhelfen, einen Standard zu definieren – kam auf dem Podium anscheinend keiner. Es blieb auch offen, was man neben HTML5 denn eigentlich noch standardisieren müsste.

Blogs!

Apropos innovativ: Blogs! Christoph Keese schwärmte plötzlich von TechCrunch, Mashable, AllthingsD und Huffington Post. Zu denen meinte er: „Das machen die alle beängstigend gut und wenn man ehrlich ist, besser als die traditionellen Medien“. Das müsse man sich mal anschauen, meinte aber auch: „Da sind wir auf entspannte und fröhliche Weise paranoid“. Verstanden hab ich das nicht, hört sich aber lustig oder erschreckend an, je nach Blickwinkel.

Auch beim Content-Gipfel-Panel hat er Blogs noch einmal angesprochen. Denn damals, als das Telefon erfunden wurde, hätte man in einer Redaktion ja auch eines angeschafft und gesagt „Da telefonier ich doch einfach mal mit!“ und jetzt hiesse es eben „Da blogge ich doch mal mit“. Aber das mache keiner und er wolle nochmal dazu aufrufen, dies doch zu tun!

Auch weiss Keese nur Gutes über Blogs zu berichten: Während in der Redaktion Qualität durch internes Gegenlesen entstehe, so wäre das Korrektiv bei Blogs die Lesergemeinde. Es gehöre dazu, Fehler zu korrigieren und dies zu dokumentieren. Durch diesen iterativen Prozess könne die Qualität von Blogs teilweise besser werden als bei klassischen Medien. Das müsse man sich näher anschauen, da helfe keine Theorie sondern nur Mitbloggen.

Bei soviel Lob für Blogs verwundert dann schon sein Engagement für ein Leistungsschutzrecht, denn weiss er denn nicht, dass zum Bloggen eben auch das Aggregieren a la rivva oder TechMeme dazugehört? Weiss er etwa nicht, dass zum Miteinander im Netz gerade und vor allem das Teilen gehört?

Aber vielleicht spart man sich diese Erkenntnis dann auch einfach für die Medientage 2015 auf.

Und sonst so?

So zieht sich das eigentlich durch. Beim Thema Fernsehen wurde diskutiert, ob nun 3D oder HD die Zukunft sind, von Social Media und Community-Building war zumindest laut Programm keine Rede. Stattdessen wurde lang und breit über neue Herausforderungen der Regulierung debattiert. Denn es kann ja nie zu wenig reguliert sein.

Kostenfreies WLAN gab es natürlich nicht, getwittert haben ca. 2-5 Personen und wie man mir sagte gab es schon Anregungen an den Veranstalter, im nächsten Jahr doch mal mehr über Print zu reden.

Insgesamt kann man festhalten, dass es also nach wie vor eben das Festhalten ist. Man wartet auf Standards und setzt auf Regulierung, anstatt all die Chancen, die ungenutzt vor einem liegen, mal zu ergreifen und etwas neues zu machen. Man entschuldigt das mit unveränderlichen Produktionsprozessen, ist aber anscheinend auch nicht in der Lage, Ausgründungen wie AllThingsD zu verwirklichen.

Und wenn am Ende innovativere US-Unternehmen alles an sich gerissen haben, wendet man sich dann jammernd an den Staat wenden und bittet um Rettung!

Aber selbst das ist ja keine neue Einsicht. Deutschland bleibt also Entwicklungsland.

Update: Ich wollte noch klarstellen, dass ich es natürlich gut finde, wenn Christoph Keese seinen Kollegen zuruft, mehr zu bloggen. Ich hoffe, viele folgen. Denn ich denke ähnlich wie Keese: Nur durch das Machen versteht man das Medium, da hilft kein Erklären.

Die Mitschrift des Panels „Digitaler Kiosk“ gibt es hier und die Mitschrift des Content-Gipfels hier

Update 10:40: Prozente beim iKiosk berichtigt und Ende versöhnlicht.

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