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German Angst: Sind digiges, netzpolitik.org und CCC Teil des deutschen Problems? (Aktualisiert)

Gestern hat Marcel Weiss bei neunetz.com meinen Artikel von gestern mit den Worten kommentiert:

netzpolitik.org, Digitale Gesellschaft und CCC sind Teil des Problems. […] Es ist schließlich nicht unbedingt so, dass die lautesten Stimmen im deutschen Netz viel Interesse am Internetwirtschaftsstandort Deutschland haben. Eher im Gegenteil: Ich würde alle drei genannten als latent wirtschaftsfeindlich einstufen.

Das aber sah man, zumindest bei netzpolitik.org, wohl nicht so, zumindest im Hinblick darauf, dass die Regierung angeblich umsetzt, was diese fordern. Also was stimmt nun?

Beispiel: Der CCC und die böse Werbung

Gerade bei manchen Vertretern des CCC (aber nicht nur und natürlich nicht alle) scheint ja recht offensichtlich, dass man der Wirtschaft gegenüber eher negativ eingestellt ist. Teilweise ist dies auch eine Kritik generell am Kapitalismus, die aber gerne hinter Datenschutzforderungen versteckt wird. Die These: Große Firmen sammeln Daten des kleinen Bürgers und nutzen diesen aus. Der Mittel zum Zweck ist Werbung, der die Menschen zu willenlosen Konsumgeschöpfen macht.

Gerade der letzte Teil wird in dem Buch „Die Datenfresser“, geschrieben von den CCC-Mitgliedern Constanze Kurz und Frank Rieger, deutlich. Hier ein Ausschnitt der Leseprobe:

Die unschöne Wirklichkeit sieht doch so aus, daß viele Menschen durch Werbung dazu verleitet werden, unnütze, ressourcenverschlingende Ausgaben zu tätigen. Und je gezielter das geschieht, desto mehr Geld geben sie aus. Die Grundannahme, daß der mündige Bürger schon ganz gut damit umgehen kann, was ihm die Werbeindustrie einzutrichtern versucht, gilt es zu hinterfragen.

Der Bürger also als willenloser Sklave der Werbung? Der Bürger, der die Gefahren einfach nicht sehen will? Das hört sich doch ganz so an, wie in der Bundesratsinitiative (PDF) beschrieben:

Viele Nutzer, insbesondere Kinder und Jugendliche, unterschätzen dabei oft die erheblichen Gefahren für ihre Persönlichkeitsrechte und die Privatsphäre.
[…]
Die Probleme, die durch leichtfertig weitergegebene Informationen oder unbedachte Veröffentlichungen im Internet entstehen können, reichen von Identitätsdiebstahl bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes.

(Studien dazu werden nicht verlinkt, was eine Verifizierung dieser Behauptung schwierig macht)

Nun ist natürlich die Frage nach Henne und Ei, denn ich glaube, man überschätzt CCC und Co. schon ein bisschen, wenn man ihnen soviel Einfluss einräumt, als dass der Bundesrat nach ihrer Pfeife tanzt. Auch könnte man sicherlich auch die Piratenpartei noch in diese Reihe einordnen. Aber es ist, meiner Meinung nach, eh vielmehr ein generelles deutsches Problem, wohl auch bekannt unter dem Namen „German Angst“.

Die Angst sitzt tief

Die Angst, übervorteilt oder generell ausgenutzt zu werden, und sei es auch noch so wenig, sitzt tief. Man hat Angst davor, dass Firmen wie Facebook oder Google die eigenen Daten verkaufen, ohne dass man selbst davon etwas hat (der Service selbst zählt dabei nicht). Man hat Angst, die Auswirkungen des rasanten Fortschritts im Bereich Internet nicht überblicken zu können, denn wer weiss schon, was man in 10-20 Jahren mit all den Daten machen kann? Schlimmer noch: Man glaubt nicht an eine Gesellschaft, die diese Herausforderungen zu meistern versteht. Der mündige Bürger, er existiert für die Deutschen nicht. Ja, es lohnt nicht einmal, ihn zu fördern. Deswegen wohl setzt die Bundesratsinitiative nicht auf Bildung, sondern auf Regulierung.

Interessant ist dabei, dass Piraten, CCC und Co. gar nicht soweit weg sind von Aigner, Friedrich und Uhl. Auch dort liegt bei all den Aktionen die Angst zu Grunde, dass man das Internet und die dadurch entstehenden Freiheiten irgendwann nicht mehr beherrschen kann. Also müssen sie gebändigt werden, Regulierung ist das Mittel. Bei Friedrich und Uhl sind dies die innere Sicherheit betreffende Dinge, denn schliesslich ist man da auch noch in der Verantwortung, wenn doch mal was passiert. Bei Aigner ist es der Verbraucherschutz, der lieber überreguliert und nicht aufklärt oder aber die Aufklärung überreguliert. Die Unterschiede zwischen den Akteuren sind wohl eher im Themenbereich zu sehen, der sich aus der eigenen Sicht der Dinge speist, sowie dem Wissensstand, das man über dieses Thema hat (und nicht immer optimal ist).

Es gibt keinen Einfluss?

Markus Beckedahl hat in oben genanntem Artikel kommentiert (ich nehme zumindest an, dass er es war):

Besonders lustig finde ich ja die Außensicht, denn wir haben überhaupt nicht das Gefühl, dass die Bundesregierung annähernd das machen würde, was wir seit vielen Jahren fordern. z.B. ist das Datenschutzrecht immer noch auf dem Stand, wo viele von uns geboren wurden. Eine mögliche Reform von diesem begleitet mich schon solange, wie ich Netzpolitik mache. Und nix passiert.

Richtig, eine grundlegende Reform oder gar eine Diskussion darüber, hat es nicht gegeben. Aber: Die aus der immer wieder hochgehaltenen Angst vor Datenmissbrauch etc. entstehende Atmosphäre führt doch eben zu Vorschlägen wie dem des Bundesrates. Dass hier also nichts passiert, stimmt so nicht. Es ist eher ein sich selbst befeuerndes System.

Sind CCC, Digitale Gesellschaft e.V. und netzpolitik.org Teil des Problems?

Die durch German Angst verursachten Schutzreflexe sieht man natürlich nicht nur im Bereich Internet, auch im restlichen Leben sind sie zu finden, z.B. beim Verbraucherschutz. Wieso sonst sollte man eine Ampel-Kennzeichnung für Lebensmittel brauchen, wenn nicht, weil deutsche Bürger zu dumm sind, die Kalorienzahl zu lesen und zu interpretieren? Wieso fordern manche standardisierte Verpackungsgrößen, damit man nicht durch Größenänderungen plötzlich für weniger Inhalt mehr bezahlen muss (obwohl man inflationsbedingt irgendwann natürlich trotzdem mehr zahlen muss)?

Insofern sind die genannten Institutionen nicht der Auslöser dieser Gesetzgebung, aber sie schwimmen in dieser Atmosphäre mit und verstärken sie selbst durch ihre Aktionen noch. Insofern ist die Antwort wohl „ja“, aber nicht nur (denn die Piratenpartei könnte man ja in diesem Kontext auch noch nennen).

Update

Da es ein paar Anmerkungen zu diesem Artikel gab, will ich hier noch ein paar Sachen klarstellen:

  • Ich bin nicht gegen Regulierung, nur Sinn muss sie machen. Man sollte erst schauen, welche Probleme existieren und dann erst regulieren. Man sollte zudem auch abwarten, ob die Gesellschaft einen eigenen Weg findet, mit den neuen Möglichkeiten und Herausforderungen umzugehen. Wenn dies nicht klappt, dann sollte man regulieren. Aus Angst vor einer ungewissen Zukunft sollte man dies nicht tun. Angst ist ein schlechter Ratgeber.
  • Ich meine in diesem Artikel nicht nur die genannten Institutionen, sondern eher generell Deutschland. Ich kann diese (teilweise irrationale) Angst auch bei mir selbst beobachten. Konkrete Probleme werden aber eher selten genannt.
  • Wenn man reguliert, sollte man nicht den Datenschutz vorschieben, wo es ein konkretes anderes Problem gibt. Wenn Werbung schädlich ist, dann sollte man Werbung regulieren, wenn Rating-Agenturen böse sind, dann diese. Datenschutzregeln zu schaffen, damit man die austrocknet, ist da wenig sinnvoll.

Insgesamt würde ich mir wünschen, dass man mit mehr Optimismus in die Zukunft blickt und dass man sich auch traut, neue Dinge auszuprobieren. 100% Sicherheit gibt es nicht und Chancen kann man nur nutzen, wenn man auch bereit ist, Risiken einzugehen. Auch beim Auto wurde nicht der Airbag vor dem Auto erfunden.

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