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Netzneutralität: Bericht von der Podiumsdiskussion bei der Friedrich-Ebert-Stiftung

Am 29.10.2010 fand in Köln im KOMED eine Podiumsdiskussion der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema Netzneutralität statt, wo ich die Ehre hatte, mit Valentina Kerst (SPD), Björn Böhning (SPD) und Hans Höchstetter (NetCologne und Bundesverband Glasfaser) auf dem Podium zu sitzen. Moderiert wurde das Podium von Dirk Müller vom Deutschlandfunk und das Grußwort sprach Martin Dörmann, MdB und stellvertretender Vorsitzender der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft (das ist die mit den Klüngelgruppen).

Die Einleitung Dörmanns war meines Erachtens recht gut und da ich noch sein anscheinendes Unverständnis der Netzsperren-Problematik vom letzten Jahr im Kopf hatte, war ich doch angenehm überrascht. Er sprach die Kernfragen an, also ob ein diskriminierungsfreier Zugang notwendig sei und wie dieser wohl aussehen könne. Daran anschliessend begann dann die eigentliche Diskussion.

Was ist Diskriminierung und was Priorisierung?

Die meiste Redezeit hatte dabei wohl Hans Höchstetter von NetCologne, da er als Vertreter eines Internet-Providers (ISP) wohl nicht so ganz der Netzneutralitäts-Befürworter ist, wie wir anderen 3 Personen auf dem Podium es waren (wobei ich mir bei Björn Böhning allerdings nicht immer so sicher war). Er stellte allerdings direkt klar, dass er natürlich gegen Diskriminierung sei, allerdings nach seiner Definition von Diskriminierung. So wolle er nämlich weder den Kunden diskriminieren noch die Anbieter, die eine bestimmte Dienstklasse/Qualität für ihre Verbindung benötigen. Eine Art Zensur oder Deep Packet Inspection (dass man also den Inhalt der Kommunikation analysiert und nicht nur die Adressinformationen) hat er allerdings ausgeschlossen, die Urheberrechtspolizei wolle man nicht spielen. Er fand zudem die Einigung zwischen Google und Verizon sehr problematisch, da ja dort Diskriminierung (im Mobilfunkbereich) nicht ausgeschlossen sei. Dies wäre der falsche Weg.

Priorisierung durch den Kunden?

Er hat dann im Prinzip zwei Möglichkeiten vorgestellt, wie man sich Netzwerkmanagement vorstellen könne. Das eine ist die Entscheidung des Kunden, ob er beispielsweise Telefonie-Daten schneller transportiert haben möchte als E-Mail. Dies könne man z.B. einfach dadurch einstellen, indem man am Router einen anderen Port für das Kabel wählt.
Valentina Kerst entgegnete, dass es bei Netzneutralität ja nicht so sehr um die Entscheidung des Kunden gehe, sondern um die Frage, was der ISP für Entscheidungen trifft. Ich habe dazu das Beispiel Mobilfunk in den Raum geworfen, wo meist VoIP, bei allen Providern aber zumindest Peer-to-Peer-Verbindungen gesperrt sind, von Einschränkungen bei Endgeräten (SIM-Lock und Tethering) mal ganz zu schweigen. Netzneutraliät ist dies ja nicht und somit kann man auch nicht davon sprechen, dass der Markt das schon regeln wird.

Die andere von Höchstetter genannte Möglichkeit ist der Zukauf einer Priorisierung des eigenen Anschlusses. Wenn ich das richtig verstanden habe, sollen dann, wenn die Bandbreite nicht mehr für alle reicht, die Anschlüsse mit Priorisierungszuschlag bevorzugt werden. So ganz klar ist mir das aber nicht geworden, denn auf die Nachfrage Björn Böhnings, ob dies dann bedeuten würde, dass dann z.B. ein 1MBit-Zugang auch wirklich 1 MBit garantiert bekäme, bestätigte er dies, was Böhning wohl zufrieden stellte. Die Frage ist natürlich, dass hier natürlich doch eine Diskriminierung der anderen Zugänge stattfindet und es im Prinzip ja nur ein Marketing-Trick ist, um die DSL-Preise wieder erhöhen zu können. Auch ob technisch eine Garantie bei DSL-Leitungen überhaupt möglich ist, darf angezweifelt werden, da auch viele physikalische Faktoren, wie die Leitungslänge eine Rolle spielen. Auch sprach er eben von Priorisierung und nicht Garantie, was ja nicht dasselbe ist.

Die Nachfrage von Martin Dörmann fand ich da schon interessanter, denn er fragte, was denn passieren würde, wenn alle diese Priorisierung kaufen würden. Höchstetter entgegnete, dass dies ja nicht von heute auf morgen passieren würde und man das Netz dann nach und nach ausbauen könne. Eine weitere interessante Frage wäre für mich hier, was denn passiert, wenn alle diesen Zuschlag schlussendlich zahlen. Kommt dann die nächste Priorisierungsstufe mit dem nächsten Zuschlag?

Diskriminierung = Chancengleichheit?

Wie schon erwähnt, habe ich die im Mobilfunk doch alltägliche Diskriminierung von Diensten ins Spiel gebracht. Es ging weiter um die Frage, ob es denn nicht vorteilhaft sei, wenn es verschiedene Qualitätsklassen gäbe, da diese Innovationen fördern würden. Doch man kann die Gegenfrage stellen, ob es denn Innovationen wie das Web heutzutage geben würde, wenn man quer durch das Internet zunächst Qualitätsklassen aushandeln hätte müssen. Ähnliches gilt für VoIP, YouTube und vieles andere. Woher soll zudem der Endkunde dann wissen, warum er eine bestimmte Qualitätsklasse überhaupt kaufen soll. Innovationen haben es von daher eher schwerer, da man sie nicht einfach ausprobieren kann.

Eine andere Form der Chancengleichheit könnte man darin sehen, dass einer Monopolisierung von Diensten, wie bei Google und Co. zu sehen, durch ein höheres Durchleitungsentgelt an die ISPs entgegengewirkt werden könnte. Das Problem dabei ist allerdings, dass die Abgabe ja nicht an die kleineren Konkurrenten geht, sondern an komplett Unbeteiligte, nämlich die ISPs. Zudem könnten ISPs, die zugleich noch Dienstanbieter sind, ihre Dienste sehr einfach bevorzugen. Auch können sich die Grossen so einen Obulus wohl trotzdem eher leisten als die Kleinen, die eine weitere Hürde auf dem Weg nach oben hätten, insbesondere zu einem Zeitpunkt, an dem die Profitabilität noch nicht erreicht ist. Innovation wäre also schwieriger. Zudem sah es selbst Höchstetter als eher illusorisch an, ein netzübergreifendes Abrechnungsmodell zu etablieren.

Das Netz ist überlastet! Also vielleicht, irgendwann…

Generell geht es bei der Frage der Netzneutralität um die Auslastung des Netzes. Von Seiten Höchstetter wurde hier allerdings erklärt, dass man da eher gut aufgestellt sei, alle Netzkomponenten scheinen wohl recht gut dimensioniert zu sein, man hätte ja schliesslich gerade ausgebaut. Das Problem sei aber die Zukunft, denn wenn IPTV zunehmen und dann vielleicht noch irgendwann 3D hinzukommen wird, dann wären die Netze bestimmt überlastet und für diesen Fall müsse man eben vorsorgen. Hier sei angemerkt, dass man schon im Jahre 1994, als der erste Netscape-Browser erschien, der statt 1 Verbindung zum Zielrechner 4 öffnete, auch schon vom Ende des Netzes wegen Überlastung sprach.

Höchstetter ging auch auf den Glasfaser-Ausbau (den ins Haus, also FTTH – Fiber to the home) in Köln ein, wo man wohl recht gute Fortschritte machen und sogar Geld sparen würde, da man sich dann das Entgelt an die Telekom für die Nutzung der letzten Meile sparen würde. Problematischer sei aber der Ausbau deutschlandweit, denn da hätten wir im Moment nur ca. 1% Fiber to the home und in ein paar Jahren sollen das laut Regierungsvorgabe ja 40-50% sein. Diesen Ausbau zu finanzieren sei also das grosse Problem.

Valentina Kerst machte noch deutlich, dass dies in anderen Ländern (z.B. Südkorea) ja durchaus funktionieren würde und wir endlich beginnen sollten alles totzureden, bevor dann das Geld für andere Dinge ausgegeben wird, wie das in den 80ern schonmal passiert sei, als damals die Pläne für den Glasfaserausbau auf dem Tisch lagen.

Netzneutralität und das Land

Der Ausbau auf dem Land schien das Stichwort für Björn Böhnung zu sein, der die Debatte um die Netzneutralität mit der Debatte um generelle Breitbandversorgung verknüpfte. So gibt es ja eben das Ungleichgewicht zwischen Stadt und Land und somit könne man dort auch ein gewisses Marktversagen erkennen. Zudem scheine man dort, wo es gut funktioniere, noch mehr Geld aus dem Netz herausholen zu wollen (wogegen sich Hans Höchstetter aber verwehrte). Er sieht daher das Problem, dass ein paar Wirtschaftsunternehmen definieren wollen, was Netzneutralität bedeute und dies wolle es mehr in einen politischen Prozess überführen.

Er hat dazu ein paar Prinzipien formuliert, z.B. dass es keine digitale Spaltung nach Einkommen geben darf, dass der Verbraucher über die Leistungen von Angeboten klar informiert werden muss, dass die Freiheit des Netzes nicht angetastet werden darf (also keine Zensur) und dass Arbeitsplätze gesichert werden müssen, indem man es auch Startups ermöglicht, schnelles Internet zu bekommen.

Seine persönliche Vorstellung davon sei ein Universaldienst, der einen Internetzugang von 1MBit diskriminierungsfrei zur Verfügung stellen soll und allen zur Verfügung stehe. Wie das bezahlt werden soll, also ob man die Unternehmen hier in die Pflicht nehmen kann oder ob da auch der Staat mitfinanzieren soll, das müsse man eben diskutieren. Es sei hier angemerkt, dass man mit 1 MBit natürlich in Zukunft nicht wirklich weit kommen wird, insbesondere, wenn man dies durch Funktechnologien wie LTE umsetzt, die umso langsamer werden, je mehr Teilnehmer in der Funkzelle sind.

Man muss hier allerdings nochmal deutlich sagen, dass die Frage nach Breitbandzugang auf dem Land nur bedingt etwas mit der Netzneutralität zu tun hat. Wichtiger ist, was „diskriminierungsfrei“ wirklich heisst und gerade hier scheint viel Interpretationsspielraum zu bestehen. So schien es mir, dass Björn Böhning auch damit einverstanden wäre, wenn ISPs sich ihr Geld z.B. von Google holen würden. Er darf mir in den Kommentaren aber gerne widersprechen.

Was gab es zu lernen?

Zunächchst einmal wurden IP-Netzwerke und Internet irgendwie in einen Topf geworfen (zu der Unterscheidung gibt es demnächst hoffentlich noch einen Blogpost). So sprach Hans Höchstetter auch gerne vom öffentlichen Netz, wenn er Internet meinte. Hier ist natürlich das Kernproblem, ob man bei einem Internet-Zugang mit Bandbreite X die gesamte Bandbreite für Internet ausnutzen kann oder man sich diese noch mit Zusatzdienstleitungen wie IPTV und IP-Telefonie (derjenigen des Internet-Anbieters) teilen muss. Dies ist ja im Moment der Fall, aber sowohl IPTV oder IP-Telefonie sind streng genommen Zusatzdienste, da diese im Netz des Anbieters enden.

Überhaupt stellt sich die Frage, was Bandbreite denn genau heisst, denn man bekommt ja auch nur immer einen Zugang mit „bis zu X“ Bandbreite. Mike Nolte der Piratenpartei verglich das noch mit dem Eichstrich bei einem Bierglas und dem Wirt, der bei regelmässigen Unterschreiten des Eichstrichs seine Lizenz verlieren würde. Im ISP-Geschäft wäre dies bei DSL-Zugängen aber genau dies Standard. Die eigentlich eingekaufte Bandbreite ist nur der Maximalwert. Von daher stellt sich natürlich auch die Frage nach dem Sinn von Höchstetters Priorisierungsidee, denn eigentlich zahlt man ja für etwas, von dem man annimmt, dass man es eh hätte. Hier muss wohl eher eine Diskussion um eine Mindestbandbreite geführt werden.

Auch kam die Frage nach Transparenz auf. Es stellt sich mir allerdings die Frage, ob der Kunde denn wirklich durch den Tarifdschungel durchblicken kann. Wer weiss denn, was VoIP ist, was man wirklich für eine Bandbreite hat etc.? Höchstetter schien den mündigen Bürger zu fordern während ich wohl eher dahin tendieren würde, bei einem Internet-Zugang nur alles oder gar nichts anbieten zu dürfen. Das erspart böse Überraschungen, zumal im Moment die Einschränkungen eines Tarifs ja nur nach sehr sehr langem Suchen aufzufinden sind.

Insgesamt war es eine recht interessante Diskussion, die man gerne noch hätte weiterführen können (dann vielleicht eher in Form einer Diskussionsrunde und nicht als Podiumsdiskussion). Weitere Diskussionen dieser Art sind sicherlich wünschenswert und wohl auch nötig.

Einen Audiomitschnitt wird es später noch auf politfunk.de geben.

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