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Wozu ein Wahlprogramm?

Alle Jahre wieder (wenn auch weniger als gedacht), versammeln sich die Piraten, um über ihr Wahlprogramm zu debattieren. So auch am kommenden Sonntag, wo ein sogenannter Tag der politischen Arbeit stattfindet, als auch auf einem Programmparteitag im April.

Doch ich frage: Warum eigentlich ein Wahlprogramm?

Wahlprogramm = wir haben schon alle Lösungen!

Ein Wahlprogramm, das ist ja an sich schon die Lösung aller Probleme. Jede Partei tritt mit einer eigenen Lösung an und der Wähler entscheidet sich für die aus seiner Sicht beste. Dumm nur, wenn man keiner Partei glaubt, alle Lösungen zu haben und neuen Parteien wie den Piraten schon gar nicht.

Doch eine andere Frage stell sich: Wo bleibt denn dann die Bürgerbeteiligung? Wenn schon alles feststeht und man in der Zeit im Parlament nur noch alles abarbeitet, was genau kann dann noch verändert werden? Und wenn es doch geschieht, würde dann nicht der Wähler Wahlbetrug schreien? Und ganz zu Recht!

Manche Piraten sagen nun: Jeder kann doch mitmachen! Doch das sagen alle anderen Parteien auch. Die Frage ist: Wo genau kann man denn was genau machen? Ja, es gibt einen Link Mitmachen, aber so wirklich dazu aufgerufen und auf die relevanten AKs verwiesen wird nicht.

Selbst wenn man danach suchen würde, wer würde wirklich das richtige finden? Und was genau bedeutet eigentlich mitmachen? Mit entscheiden kann man als Nicht-Mitglied ja nicht, das dürfen nur Mitglieder.

Beteiligung nur im Parlament?

Darauf angesprochen kommt manchmal eine für mich etwas seltsame Einstellung zum Vorschein. So bestätigte mir Dirk Schatz, Platz 16 der Landesliste, kurz nach dem Bundesparteitag genau dieses Problem. Mitreden ja, mit abstimmen nein.

So richtig Bürgerbeteiligung mit Abstimmen und Volksentscheid, das ginge ja nur auf Parlamentsebene und darum würde man sich kümmern, sobald man dann in diese eingezogen sei.

Dumm nur, wenn dann alles schon im Wahlprogramm oder, wenn man „Pech“ hat, sogar in einem Koalitionsvertrag festgeschrieben ist und man dann nur noch auf „parlamentarischen Zwängen“ verweisen kann.

Sinnvollerweise muss also Bürgerbeteiligung schon in der Partei beginnen.

Wahlprogramm nur Lösungsskizze

Doch selbst wenn man das Wahlprogramm als Lösungsbuch sieht,
ist es inhaltlich doch eher mau. Egal bei welcher Partei.

Probleme werden meist überhaupt nicht genau definiert und bei den Lösungen weiss man weder, wie man auf genau diese Lösung kam, noch, welche anderen Lösungsansätze man aus welchen Gründen verworfen hat.

Ein Wahlprogramm ist also im Prinzip schon Ausdruck des klassischen politischen Prozesses, bei dem man den Bürger möglichst nicht mit Fakten überladen will und einfache Lösungen präsentiert. Es ist ein Ausdruck des Friss oder Stirb.

Doch wollten die Piraten nicht anders sein? Selbst wenn man nach Fakten sucht – und die Piraten sind ja angeblich die Partei der Fakten – man findet sie kaum. Sicher, spricht man AK-Mitglieder darauf an, so haben die sich Studien usw. angeschaut, aber dokumentiert wurde anscheinend nur wenig. Auch dies ist allerdings ja ein Zeichen von Intransparenz. Das Problem, dass man Entscheidungen nicht nachvollziehen kann, bleibt bestehen.

Wenn die Piraten also anders sein wollen, hier wäre ein Ansatz. Das wäre nicht anders sein, um des Anderssein willens, sondern es wäre sogar sinnvoll.

Alternativen

Nun kommen Wahlen natürlich immer plötzlich und jetzt eine umfassende Bürgerbeteiligung auf die Beine zu stellen, ist wohl etwas viel verlangt.

Daher hier ein paar spontane Ideen:

  • Keine Lösungen anbieten, sondern zunächst einmal die Probleme gut beschreiben. Denn das scheint ein großer Mangel generell im politischen Betrieb zu sein. Und bei den Piraten nicht anders: Weiss irgendwer, warum genau man z.B. das BGE braucht? Wieso nicht die Problemdefinition auf einem Parteitag beschliessen? Dann weiss zumindest jeder, woran man eine Lösung messen muss.
  • Ziele definieren statt Lösungen. Wo will man eigentlich hin? Was ist die Grundeinstellung und welche Rahmenbedingungen sollten beachtet werden?
  • Schon im Wahlprogramm klarmachen, wo man nach der Wahl mitmachen kann, um aus den Zielen Lösungen zu erarbeiten. Eine URL würde einer Internetpartei gar nicht so schlecht zu Gesicht stehen.
  • Vielleicht schon jetzt zwei Programme schreiben; Eines für den Fall, dass man mitregiert und gestalten kann und eines für den Fall, dass man in der Opposition landet. Denn wichtiger als die Frage, ob der Spitzenkandidat nun im Land bleibt oder nicht, wäre doch eigentlich die Frage, welche Rolle man in der Opposition einnehmen will. Auch damit sollte man schliesslich rechnen.
  • Klarmachen, dass all dies work in progress ist und man natürlich später noch etwas ändern kann, wenn es gute Gründe dafür gibt.

Bleibt nur die Frage, ob die Piraten den Mut haben, kein klassisches Wahlprogramm zu haben.

Zumindest jedoch würde ich mir mal eine Debatte innerhalb der Piratenpartei wünschen, wo genau man sich denn eigentlich von anderen Parteien im Stil unterscheiden will und wo die Grenze der Anpassung ans System denn genau ist. Beim Wahlprogramm scheint sie zumindest bislang nicht zu sein.

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