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Was Deutschland so verschläft…

Germany likes to oversleep when it comes to new developments. One topic came to mind again after reading this article in the Times. Maybe check if your company is sleeping, too.

Deutschland scheint ja manchmal recht eigen zu sein, was innovative Entwicklungen betrifft. Skeptisch ist man, man kritisiert sie lieber anstatt sich damit zu beschäftigen, beschwert sich dann aber, dass man etwas wichtiges verschlafen habe. Artikel über solche Themen werden entweder ins Lächerliche gezogen oder einfach ignoriert.

Lasset und also über Second Life sprechen! (Wer jetzt noch liest, herzlich Willkommen!). Hier scheint das Interesse doch sehr abgenommen zu haben, wie ich z.B. feststellen durfte als ich im Rahmen des Social Web Breakfast einen kleinen Vortrag darüber halten sollte. Denn ausgefallen ist er aufgrund mangelnder Beteiligung.

Dabei ist das Thema „Virtuelle Welten“ auf dem Vormarsch. Schaut man sich z.B. diesen Artikel der Times Online über einen Report von McKinsey an, so kann man dort lesen, dass Firmen die virtuelle Welten heute ignorieren, „dies auf eigene Gefahr tun“. Weiter heisst es:

A senior consultant at the company […] said that any consumer-facing business „absolutely“ had to be „experimenting in virtual worlds“ if it wanted to get the attention of under 30s.

Also was kann/sollte man sich als Firma anschauen? Ich sehe hier vor allem zwei Bereiche:

Marketing in virtuellen Welten

Dies war das Hauptthema damals als der Hype um Second Life begann. Schnell wollte man rein in die Welt, die da so lockte mit tausenden von Avataren, die auf die eigene Marketingmessage nur so warteten. Viel geblieben aus deutscher Sicht ist davon allerdings nicht. Verpasst hat man, sich mit dem Thema wirklich zu beschäftigen, wollte nur schnell auf den Zug aufspringen, um dann aufzugeben, da einfach keiner kam sich die Marketingbotschaft anzuschauen. Schuld war man natürlich nicht selbst, sondern Second Life. Angst hatte man, etwas zu verpassen, Angst sollte man nun haben, dass man wirklich etwas verpasst.

Aber sieht man sich mal um, so fällt auf, dass Firmen anderswo virtuelle Welten heutzutage immer mehr entdecken, um dort Marketing zu betreiben. Dabei scheint aber nicht immer Second Life, sondern doch mehr die eigene virtuelle Welt im Vordergrund zu stehen. Die Idee dahinter ist einfach: Habe ich eine abgeschlossene virtuelle Welt, so habe ich die volle Kontrolle über das Environment und kann meine Markenbotschaft so richtig wirken lassen (sicherlich ist Second Life auch in vielen Bereichen einfach zu kompliziert zu bedienen).

Dies scheint in der Tat im Moment gross in Mode zu sein, wird aber auf lange Sicht nicht funktionieren, denn das Hauptproblem wird der Zustrom neuer Mitglieder sein. Jede Registrierung bei einer neuen virtuellen Welt ist recht aufwändig, noch aufwändiger gar als bei einem neuen sozialen Netzwerk, denn es kommt ja zu Account, Profil und Freundesliste auch noch der zu gestaltende Avatar hinzu. Aus gutem Grund es ist ja heute auch nicht so, dass jede Firma heutzutage versucht ihr eigenes Social Network zu entwickeln. Das macht erst Sinn, wenn Standards da sind, die die benötigten Informationen schnell und einfach von bestehenden Services importieren können und das möglichst transparent.

Auch ist die Frage, ob eine solche Marketingmassnahme auf Dauer zieht. Sie ist ja doch noch sehr dem traditionellen Massenmarketing verhaftet und sendet meist nur Botschaften aus, ohne aber welche zu empfangen. Das wird dem Medium nicht wirklich gerecht. Was hier fehlt ist Konversation, wie im Cluetrain Manifesto beschrieben, denn gerade dazu eignen sich virtuelle Welten. Heutzutage ist es eben nicht mehr unmöglich, direkt mit seinen Kunden ins Gespräch zu kommen und das sollte man nutzen! Ein gutes Beispiel aus Second Life sei auch genannt: Jeff Barr, Chief Technology Evangelist für die Amazon Web Services war und ist unermüdlich in Second Life unterwegs, um solche Konversationen zu führen (was viele Blog-Posts usw. über ihn nach sich zieht). Linden Lab selbst mit ihren Sprechstunden ist auch ein gutes Beispiel (ist aber sicherlich ein Spezialfall).

Aber vielleicht sind Firmen auch einfach gebrannte Kinder, was Marketing in virtuellen Welten betrifft. Vielleicht hat man Second Life mal ausprobiert, war aber enttäuscht, da man ja nur bis zu 100 Leute an einem Fleck sammeln kann. Oder aber es kamen nichtmal 5 Leute. Das alles sind natürlich Probleme. Die Schuld für dieses Versagen dann aber auf Second Life zu schieben, macht nicht wirklich Sinn. Nur weil die eigene Kampagne keinen Sinn macht, heisst es nicht dass a) andere Kampagnen nicht funktionieren würden, b) das ganze Phänomen Second Life einschläft. Das tut es nämlich nicht. Sinnvoller wäre, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen und weitere Experimente zu machen. Denn jemand anders wird es tun und der wird die Nase vorn haben. Und dass es gelungene Kampagnen gibt, zeigte Pontiac mit dem Motorati-Projekt, wo man Land an interessante Projekte vergeben hat, wo Residents dann bauen konnten was sie wollten, soweit es nur mit dem Thema Auto zu tun hatte. Das Resultat: Ein meist sehr gut besuchtes virtuelles Stück Land, regelmässige Events (durchgeführt von den Residents), wie Rennen und diese sogar mit Live-Berichterstattung durch einen Second Life Radio-Sender. Was will man mehr?

Second Life für Business-Anwendungen

Schaut man sich heutzutage in Second Life um, so fällt auf, dass viele Dinge nicht mehr nur auf’s Marketing abzielen sondern auch darauf, wie man in Zukunft virtuelle Welten für geschäftliche Zwecke nutzen kann. So gibt es mehr und mehr Services, die es Firmen ermöglichen soll, dort virtuelle Meetings abzuhalten oder aber auch Support zu leisten. Hier will ich nur kurz Clever Zebra nennen, die sich darauf spezialisiert haben, Firmen bei ihrem Weg in die virtuelle Welt zu helfen und dazu einerseits Konferenzen wie die vBusiness Expo (komplett abgehalten in Second Life) oder aber das wie aktuell ein Bootcamp zum Thema anbieten. Eine andere Firma ist Kelly Services, ein international agierendes Personaldienstleistungsunternehmen, welches nun auch Personal für virtuelle Zweigstellen anbietet.

Weiterhin sind grosse Firmen wie Sun, IBM, Cisco und andere schon fleissig dabei, die Möglichkeiten von Second Life oder eigenen Projekten auf diesem Gebiet zu erkunden, wenn nicht sogar zu erweitern. So hat IBM ja sowieso eine Partnerschaft mit Linden Lab und es gab ein Experiment mit einem Second Life-Server, der bei IBM lief. Weiterhin haben sie ihr eigenes Projekt in diesem Bereich und experimentieren auch mit OpenSim, einem von der Open Source-Community eigenständig entwickelten Server. Bei Sun sieht es ähnlich aus mit Project Wonderland.

Es gibt also Bewegung auf allen Fronten. Zudem wird man, wenn man heute in Second Life unterwegs ist, dass auch entweder das Streaming von Konferenzen oder gar rein virtuelle Konferenzen und ähnliche Events dort zugenommen haben. So würde ich mir z.B. noch viel mehr in diesem Bereich wünschen, denn gerade die Zeit u
nd die Kosten für die Real-Life-Beteiligung einer Konferenz könnte ich sicher besten nutzen, wenn ich die Möglichkeit hätte dort virtuell teilzunehmen.

Das heisst natürlich nicht, dass man sich nie mehr face-2-face treffen sollte, aber vielmals würde ja sicherlich auch der rein virtuelle Kontakt reichen und auch günstiger sein.

Wo geht’s in der nächsten Zukunft hin?

Ähnlich wie bei sozialen Netzwerken wird die Tendenz auf lange Sicht in Richtung offener Standards gehen. Besucher virtueller Welten werden viel eher zu einem kommen, wenn man die Türen möglichst weit aufmacht und nicht auf ein Lock-In setzt. Das hat selbst Linden Lab erkannt und haben das „Open Grid Protocol“ aus der Taufe gehoben. Das Ziel ist, ein Protokoll zu definieren, welches es erlaubt verschiedene (im Moment Second Life-ähnliche) Grids zu verbinden, ohne einen zentralen Server zu benötigen. Weiterhin soll dieses Protokoll dann Standardisierungsgremien vorgelegt werden, um es zu einem offiziellen Standard zu erheben. So wird es dann z.B. möglich sein, sein eigenes Grid laufen zu lassen und dieses auf Wunsch entweder getrennt oder mit anderen Grids verbunden zu betreiben. Daneben wird durch ein dokumentiertes Protokoll auch die Implementierung von eigenständigen (und wahrscheinlich Open Source-) Komponenten gefördert. OpenSim wird mit Sicherheit ein Teil des Ganzen sein. Die Arbeit daran hat schon begonnen und wer gerne technische Details durchlesen mag, soll einmal hier schauen. Und auch ich habe schon 3 Zeilen programmiert.

Die Konsequenzen aus diesem Projekt sind IMHO gewaltig, denn viele der oben genannten Probleme könnten damit gelöst werden. So könnte es spezielle Server- und Clientversionen für Marketing, Business oder andere Bereiche geben. Man könnte mehr oder weniger geschlossene Grids aufsetzen, ohne als Benutzer neue Accounts oder Avatare anlegen zu müssen. Und vieles mehr.

Das wichtigste dürfte aber sein, dass ein offenes Protokoll generell die Weiterentwicklung anregt, da im Prinzip jeder darauf aufbauend neue Server oder Clients programmieren kann. Mit anderen Worten, es wäre wie das WWW heute.

Und vergleichen kann man das Thema „virtuelle Welten“ auch heute schon mit dem WWW, allerdings vor 10 Jahren. Denn auch da war man sehr skeptisch, wollte nicht experimentieren, hat es belächelt.. Und heute? Heute kann man sich nicht mehr vorstellen, wie das eigentlich damals war, so ohne Web (äh, und ohne Handy).

Ich würde mir daher wünschen, dass sich auch in Deutschland mehr Firmen mit dem Thema beschäftigen, rein aus eigenem Interesse.

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