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Internetsperren: Zensur oder notwendige Regulierung? Diskussion ohne Politiker

Session zur Netzzensur ohne Politiker

Die nächste Session auf dem PolitCamp ist ganz im Zeichen der <beep>. Moderiert von Ralf Bendrath (netzpolitik.org), nahmen noch teil:

  • Alvar Freude, Blogger, beschäftigt sich seit 10 Jahren mit dem Thema Internetsperren, Mitbegründer AK Zensur.
  • Christian Müller, Technikvorstand bei der Strato Rechenzentrums AG (Strato 100%ige Tochter der freenet AG)
  • Michael Seemann, Internetbewohner (mspro)

Einen Vetreter aus der Politik, der für Netzsperren argumentieren sollte, wurde leider nicht gefunden. Das ist schade und auch der Aufruf zu Beginn der Session hat nichts geholfen. Traurig Deutschland, Ignorantenland

Alvar begann dann mit ein paar einführenden Folien. Als Vorbemerkung wollte er sichergestellt wissen, dass alle Internetsperren-Gegner natürlich gegen Kinderpornografie sind!

Die Begründung der Sperre

KiPo sei ein Massenphänomen. Man könne durch Zufall darauf stossen und diese Zufallnutzer würden in die Szene gelockt und würden später selbst Kinder missbrauchen. 80% dieser Nutzer würden sich durch Sperren abwimmeln lassen.

Es gäbe einen Millionen- oder Milliardenmarkt. Vergleich mit anderen Märkten lässt diese Zahlen aber seltsam erscheinen. Man will mit Sperren diesen Markt austrocknen.

Alle Server würden in Bananenrepubliken stehen, wo man die Server nicht vom Netz nehmen kann.

Letzte wichtige Behauptung: Es gibt Erfolge im Kampf gehen KiPo, vor allem in skandinavischen Ländern. In Deutschland würde 300 000 bis 450 000 Zugriffe auf KiPo-Seiten stattfinden. Täglich. Ein Wert von dem Online-Zeitungen nur träumen können.

Die Probleme mit diesen Behauptungen

All diese Begründungen sind fraglich. Laut Krinna Kuhnen gibt es keinen Massenmarkt für KiPo, es gibt keine freie Verfügbarkeit. Damit gibt es auch keine Zufallsnutzer und keine Anfixung.

Weiterhin lassen sich z.B. P2P-Tauschbörsen mit allen angedachten System nicht kontrollieren. Dort muss man aber auch erstmal aktiv danach suchen, Zufallstreffer gibt es auch dort nicht.

Wirksamkeit der Sperren

Natürlich sind die Sperren zu umgehen, aber 80% seien ja Zufallsnutzer und diese würden damit abgeblockt werden. Aber: Man muss erstmal viel größeren Aufwand betreiben, KiPo überhaupt zu finden als die Sperre zu umgehen. Also gibt es keine Zufallsbesuche.

Massenmarkt?

Es gibt kein Indiz dazu, dass es ein (kommerzieller) Massenmarkt ist. Laut Ermittlern wird kaum dafür bezahlt, es wird unter der Hand getauscht, aber nur selten auf öffentlich verfügbaren Servern feilgeboten.

Banenenstaaten

Behauptung: Man habe keine Handhabe in diesen Ländern

Anfrage an das Familienministerium, wo denn die Server stehen würden, kann nicht beantwortet werden, BKA kann das auch nicht.

Laut geleakten Listen aus skandinavischen Ländern liegen viele Server nicht in solchen Ländern, sondern z.B. in den USA oder anderen westeurop. Ländern.

Erfolg in anderen Ländern?

Analyse der Filterliste zeigt, dass es diesen Erfolg nicht wirklich gibt und auch der Chef der schwedischen Behörde sagt, dass diese Sperren an sich nichts bringen.

Grundrechtliche Bedenken?

So eine Sperre kommt eigentlich nur als ultima ratio in Frage. Es kann wirklich nur in extremsten Ausnahmefällen rechtlich zulässig. Bei allem was im Moment bekannt ist, trifft dies hier aber nicht zu.

Warum ist die Diskussion so schwierig?

Einfache Antwort: Weil wir von Laien regiert werden. Meist haben die Politiker dort keine Ahnung vom Thema. Alvar nennt sie die „Internetausdrucker und -wiedereinscanner“ (denn er hat mal eine Webseite ausgedruckt und wieder eingescannt als PDF vom Ministerium bekommen anstatt einfach den Link).

Diskussion

Christian Müller: Ein Problem ist schonmal, dass die Liste geheim ist und sie nicht von einem Richter überprüft wird. Es kann auch nicht überprüft werden, ob die Seite rechtens auf der Liste ist. Weiterhin gab es bei Strato seit 2006 ein Dutzend Fälle mit KiPo. Normalerweise sind die dann auch sofort vom Netz. Diese wurden meist von den Nutzern selbst gemeldet.
Normalerweise ruft das BKA nicht direkt bei Strato an, sondern eher ein Dorfpolizist. Umgekehrt ist es aber schon vorgekommen, dass sie Anzeige erstatt haben. Weiterhin ist es normalerweise nicht der Kunde, der KiPo auf den Server auflädt, sondern sein Server wurde normalerweise gehackt.

Strato und freenet haben Angst, dass hier Fakten geschaffen werden, die ohne Gesetz eingeführt werden. Vor allem, da sie doch weit in Grundrechte eingreifen.

Jetzt gibt es diesen Gesetzesentwurf und leider geht der viel weiter als der BKA-Vertrag, also muss man sich fragen, ob diese Haltung nicht kontraproduktiv war.

Dank der Medien wurde sogar freenet-Mitarbeiter auf offener Strasse angegangen, warum freenet denn KiPo unterstützen würde.

Ralf: Blogger haben nicht immer mit ganz sauberen Mitteln gearbeitet, man ist sehr aufgebracht, wie sehen Internetnutzer das?

mspro: Angst vor einem generellen Zensurelement. Ausserdem Angst davor Links anzuklicken, da es den Telekom-Providern freigestellt ist, die IP-Adressen zu speichern, die Stoppschilder aufrufen. Dies kann dann evtl. zur Hausdurchsuchung führen.

Zensurregelung kann auch leicht ausgeweitet werden, Beispiel wikileaks.org.

Publikum: Ist es nicht ein Widerspruch, dass man erst sagt, es gäbe keine Zufallstreffer und dann gibt es sie bei Strato doch.

Christian Müller: Man muss das Mengengerüst betrachten. Wir hosten sehr viele Domains und pro Jahr sind das ca. 10 Fälle, die auch evtl. am Rande von KiPo stehen. Das ist ein sehr geringer Anteil und einen Massenmarkt kann er nicht sehen.

Publikum: Unsere (Netzgemeinschaft) Antwort auf dieses Problem ist so polemisch geführt, dass Poltiker gar nicht zuhören wollen. Muss man die Diskussion nicht besser führen?

Alvar: bemüht sich immer, seriös rüberzukommen. Natürlich ist alles etwas zugespitzt, denn sonst hört keiner zu. Aber schon von Anfang an wurde auf sehr freundlich formulierte Anfragen an das Ministerium entweder nicht oder unzureichend geantwortet.

Aber wir sind in einer Situation wo wir in den Wahlkampf reinkommen und Frau von der Leyen sich profilieren will. Auch ist es schon eine beschlossene Sache, was man auch daran sieht, wie mit den Providern umgegangen wird.

Da wird schon mit nicht so schönen Mitteln aus der Politik gekämpft, so dass es schwer ist ruhigzubleiben. Hilfe, wie man es besser machen könnte, ist aber erwünscht.

Massenmedien hinterfragen die Zahlen aber leider auch nicht, es wird nicht recherchiert. Das ändert sich auf aber langsam. Aber wenig Zuversicht, dass dieses Gesetz vor dem Verfassungsgericht gekippt wird.

mspro: Hat nicht die Geduld, alles nochmal von Anfang an zu erklären. Und wenn man sich das Radiointerview mit ihr anhört, dann fragt man sich, wer die sachliche Ebene verlässt.

Dissenz auf dem Podium, was sie genau gesagt hat. Wohl nur unglücklich formuliert aber nicht so gemeint.

Wie geht es weiter?

Alvar: Es wird wohl eine Expertenanhören noch geben.
Bendrath: Sehr schwer für Ursula von der Leyen, jetzt wieder von ihrer Position runterzukommen, auch wenn sie plötzlich alles supergut verstehen würde.

Gibt es da noch eine Chance für eine konstruktive Diskussion? Ideen?

Publikum: Noch ne Frage an Alvar: Was wird denn nun gespeichert?

Alvar: Unklar, da in Begründung und Stoppschild was anderes steht als im Gesetzesentwurf. Es gibt wohl eine grosse Diskussion in der Regierung, ob nun protokolliert werden soll oder nicht. Familienministerium sagt Nein, Justizministerium sagt Ja.

Macht man sich die Wirtschaft zum Hilfssheriff?

Christian Müller: Wir haben gar kein Interesse, diese Daten mitzuschneiden. Da spricht auch der Datenschutz dagegen. Wir wären dann in einem sehr schwierigen Zwiespalt, ob man nun speichert oder nicht. Auch glauben wir nicht, dass die Leute, die auf dieses Stoppschild gelangen, wirklich Kriminelle sind. Auch schadet es dem Ruf, wenn man mitschneidet und sich das rumspricht.

Brauchen wir einen Interessenverband? Reich AK Zensur?

mspro: Bin gegen Organisation (Session dazu morgen). Aber wir müssen lauter werden. Wir haben viele Argumente und eine grosse Anzahl an Stimmen aber wir sind noch nicht laut genug. Vielleicht müssen auch wir etwas selbstbewusster als Netzbevölkerung auftreten. Ich weiss noch nicht, wie man das machen kann, aber vielleicht kann man auf dem PolitCamp Möglichkeiten finden.

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