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Ein IT-Gipfel namens LeWeb fragt: Wie fördert man europäischer Startups?

LeWeb'09Alljährlich findet Ende des Jahres in Paris die Veranstaltung „Le Web“ statt. Organisiert wird sie von Loic LeMeur, ehemaliger Europa-Chef von Six Apart und jetzigem CEO von Seesmic, einem in Kalifornien beheimateten Startup, das zunächst als eine Art „Video-Twitter“ startete, derzeit aber eher als Produzent des gleichnamigen Twitter-Clients bekannt ist.

Und alljährlich trifft sich bei ihm zur 2-tägigen LeWeb die internationale Online-Elite. Mit dabei z.B. Michael Arrington, Robert Scoble, Joi Ito, Marissa Mayer oder Niklas Zennstrom, Schwerpunkt ist aber vor allem der europäische Markt. Es macht natürlich keinen Sinn, Le Web mit dem IT-Gipfel vergleichen zu wollen, aber vielleicht ja doch, denn ein Thema war dasselbe: Wie macht man gute Standortförderung?

Der Scope ist natürlich ein bisschen anders: Der IT-Gipfel betrachtete nur Deutschland, Le Web betrachtet zumindest mal Europa, und wie ich ja schon in meinem Artikel zum IT-Gipfel schrieb, macht eine globalere Betrachtungsweise gerade in einer globalisierten Welt mehr Sinn.

Vor allem bei dem Panel „Best of Europe“ gab es dabei einige Einsichten (es gab aber z.B. auch eines zum Thema mittlerer Osten, was manche als das neue China sehen).

Mit dabei bei diesem Panel waren Martin Varsavsky (CEO von Fon), Jon S. von Tetzchner (CEO und Mitgründer Opera), Marc Simoncini (CEO und Gründer von Meetic), Marten Mickos (Ex-CEO von MySQL) und Bernard Charles (President/CEO Dassault Systems).

Die folgenden Themengebiete wurden erläutert:

Die Vorteile Europas

Beginnen wir mal mit dem Guten. Als Vorteil des Standorts Europas hat vor allem Martin Varsavsky ein paar Dinge genannt:

  • Europa hat ein um 30% höheres Bruttoinlandsprodukt als die USA. Das Geld ist also hier. Als Beispiel nannte er auch noch die Tatsache, dass 17% der Nutzer Googles alleine aus Grossbritannien kommen.
  • Europa hat geringere Gesundheitskosten (denn in den USA müsste ja mehr die Firma für die Versicherung sorgen, während dies hierzulande der Staat mitmacht)
  • Es gibt keine so überzogenen Klagen wie in den USA
  • gute Internetpenetration
  • Die Idee des Teilens sei mehr in Europa und Asien denn in den USA zu Hause. So würde „Open Source“ auch mehr auf europäischen/asiatischen Ideen aufbauen, meinte Varsavsky.

Bernard Charles ergänzte, dass Europa auch gut im Aufbau von Netzinfrastrukturen sei, man aber dort sicherlich nicht stehenbleiben sollte. Er nannte Cloud-Computing als Beispiel für die nächste Stufe solcher Infrastrukturen, bei denen Europa leider im Moment hinterherhinkt.

Jon S. von Tetzchner meinte weiterhin, dass es aber auch nicht so sei, dass es in Europa gar keine Innovationen gäbe. Er nannte Skype oder auch einfach das Web als Beispiel. Dass viele der hier gegründeten Unternehmen als Teil von US-Firmen endeten, sähen manche auch als Erfolg an.

Grundsätzliche Probleme Europas

Auf die Frage nach den Probleme, mit denen Europa zu kämpfen hat, wurden genannt:

  • Markfragmentarisierung. So ist es schwierig, europäische Firmen zu finden. Während Le Web wurde zudem auch gesagt, dass wir in Europa eher Hubs/Nodes anstatt eines Valleys hätten (im Gegensatz zu Brüderles Meinung).
  • komplizierte Regulierungsbestimmungen
  • Schwierig Mitarbeiter zu bekommen. So sei es laut Varsavsky z.B. einfacher einen low-level-Mitarbeiter aus Equador anzustellen denn einen Top-CEO aus dem Silicon Valley.
  • viele Märkte. Anstatt nur eines grossen Landes mit einheitlicher Sprache und Regulierung haben wir in Europa derer viele. Um in Europa wachsen zu können, muss man also viel mehr auf die lokalen Gegebenheiten acht geben, wie gesetzliche Bestimmungen, Sprache und Kultur. Marc Simoncini meinte als Beispiel die eigene Firma Meetic, die 12 Sites in 12 Sprachen betreibt, während ein amerikanischer Konkurrent erstmal nur eine braucht. Es wurde aber auch darauf hingewiesen, dass es US-Firmen dann natürlich auch schwerer haben, auf europäischem Boden Fuss zu fassen.
  • Die Wahrnehmung von Misserfolgen ist in Europa viel negativer als in den USA. Die meisten Startups scheitern, sagt Varsavska, weil man etwas ausprobiert und es in den meisten Fällen eben nicht funktioniert. In Europa hat man damit meist als Gründer ausgedient
  • Schwierige Haftungslage z.B. in Spanien. So hat man das Problem, dass man persönlich für ein Startup haftbar ist und somit die Einstiegshürde, überhaupt Gründer zu werden, extrem hoch ist. Zudem sei man dadurch aufgrund mangelnder Privatinsolvenz in Spanien evtl. für den Rest seines Lebens verschuldet.
  • Größe vs. Potential. In Europa würde eine Firma mehr anhand ihrer Größe aber nicht anhand ihres Potentials bewertet, meinte Bernard Charles. Dies macht es schwer für kleine Startups.

Marten Mickos erklärte aber auch, dass man als Gründer gar nicht so sehr auf die Region achten sollte. Wenn China richtig für ein Startup erscheint, dann sollte man auch dorthin gehen und es nicht anderswo versuchen. Und auch später wurde bei Le Web nochmals gesagt, dass Regionen vielleicht gar nicht mal so eine grosse Rolle spielen, da unabhängig vom Ort sowieso alle mehr und mehr untereinander vernetzt sind.

Der Arbeitsmarkt

Fragt man Arbeitgeber nach dem Arbeitsmarkt, so ist klar, dass eines immer wieder gewünscht wird: Mehr Flexibilität. So wurde durch die Bank das Problem genannt, dass Wachstum nicht immer linear sei und man die Mitarbeiterzahl auch flexibel anpassen können muss. Bernard Charles nannte z.B. die Anzahl von 50 als magische Grenze in Frankreich ab der es sehr kompliziert wird.

Hinzu käme, dass man dadurch sich eher von den zuletzt eingestellten Mitarbeiter trennen müsste, da dies die geringsten Kosten verursacht. Das ist insbesondere dann schlecht, wenn der zuletzt eingestellte Mitarbeiter deutlich höher qualifiziert ist als einer, der schon früh hinzukam.

Martin Varsavska fügte hinzu, dass deswegen auch manche Startups in Europa gegründet werden aber Personal in Asien anstellen, was nicht Sinn der Sache sein könne.

Gemeinhin wurde hier die USA gepriesen, wo man sehr flexibel einstellen und entlassen könne, auch wenn in den Zeitungen leider immer nur von den Entlassungen berichtet würde. Und es sei ja auch nicht so, dass in den USA keiner einen Job haben würde, die Beschäftigungszahlen seien ja ähnlich.

Was können Regierungen tun?

Auf diese Frage wurde mehr geantwortet, was sie nicht tun sollten. Marten Mickos sagte, Regierungen sollten die Hände von Entrepreneurialism lassen, sie sollen stattdessen die Infrastruktur stellen, Märkte sollten liberal und harmonisiert sein, aber Regierungen sollten sich ansonsten heraushalten (dazu gab es sogar Applaus).

Der Unterschied sei einfach zu gross. Startups sind „disruptive“, sie erfinden neue Dinge, erklären bestehende Dinge für überflüssig und experimentieren viel. Der Staat hat da ganz andere Prioritäten.

Es wurde auch die Frage nach einem „European Stimulus Fund“ gestellt und ob dieser Sinn machen würde. Generell war man aber der Meinung, dass es heutzutage kein Problem mehr sei, an Geld zu kommen. Woran es fehlte seien die besseren Rahmenbedingungen.

Man sah Geld vom Staat sogar als eher schädlich an und so meinte Marten Mickos, dass VC-Geld besser sei, da dieses einen Exit suchen würde, was bei Staatsgeldern evtl. nicht der Fall sei (mich erinnerte dies an Theseus).

Generell also brauche man keinen Marshall-Plan für die digitale Welt sondern mehr Flexibilität um Experimente zu ermöglichen.

(photo by Kmeron)

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