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„Facebook ist wie ein kleiner Parteitag“, PolitCamp 09: Twitter-Session

Twitter-Session

Die Grundfrage: Politik und Twitter, wie geht das zusammen?

Die Teilnehmer:

  • Nicole Simon, Twitter-Expertin
  • Matthias Groote, SPD, Mitglied des europ. Parlament, macht flickr, Twitter
  • Volker Beck, Die Grünen. Macht Twitter, Facebook, Xing
  • Frank Schäffler, MdP, FDP (Steuer und Finanzmarktfragen). Macht Facebook, Xing seit halbem Jahr.

Moderation: Don Dahlmann

Frage an Frank Schäffler: Wieviele Leute der Fraktion twittern denn? Antwort: 1/3, aber Nutzung ist unterschiedlich. Im nächsten Wahlkampf wird Twitter sicher ein gängiger Bereich auf der Homepage sein.

„Twittern Sie selber?“

Schäffler: Ja, ich mache das selbst, nur so kommt man authentisch rüber.

Twitter-Session

Groote: Viele Mitglieder aus den skandinavischen Ländern nutzen Facebook sehr stark, von den deutschen Kollegen sind es 3/4, Twitter wächst aber noch, allerdings ist die Barriere höher, da man es selbst machen muss.

Beck: Twitter ist eine Chance, Dinge an den Mann zu bringen, zu der man nie eine Pressemeldung dafür machen würde. Man kann damit einfacher Special Interest Groups erreichen. Journalisten würde es ja eher nerven, wenn man jede kleine Sache als Pressemeldung rausbringen würde. Die Leute, die man auf Twitter erreicht, sind auch oftmals Multiplikatoren.

„Wie wird der Rückkanal bei Twitter wahrgenommen?“ (vor allem im Vergleich zum Wahlbüro-Rückkanal)

Schäffler: Findet den Rückkanal sehr angenehm, da man mehr mitbekommt. Sonst bekommt man meist nur Briefe zum Fachgebiet. Was die Kollegen betrifft, so wird das eher belächelt. „Jetzt muss ich mich damit auch noch beschäftigen“, „Wie geht das überhaupt?“. Vor allem Problem bei den älteren Kollegen in der Fraktion.

„Wie sieht das aus im Vergleich zum Europaparlement?“

Groote: Es kommen mehr Anfragen als vorher über Facebook etc. als sonst über die normalen Kanäle. Besucht man eine Schule, so kommen da über Facebook viel schneller Gespräche zustande, vor allem, da man als Europaparlamentarier gar nicht soviel Zeit vor Ort im Wahlkreis verbringen kann. Beispiel: Wie soll das Wahlkampffahrzeug aussehen, dazu Twitter-Poll gemacht.

„Haben Sie nicht Angst, dass diese Direktbeteiligung der Bürger die Parteipolitik gefährdet?“

Beck: Man muss da auf die Kompetenz der Gesprächspartner setzen. Twitter ist auch viel angenehmer als z.B. abgeordnetenwatch.de, was sehr nervig ist, da sich dort fast nur noch Querulanten tummeln. Trotzdem muss man ja die Fragen dort gut beantworten, denn auch die anderen Leute lesen das ja. Bei Twitter scheint es ein besserer Dialog zu sein. Auch bekommt ein Bürger bei Twitter nur die Nachrichten, die man auch selbst abonniert hat. Man bespasst keine Bürger, die das gar nicht wollen. Auch sind z.B. Newsletter sonst keine wirkliche Beschäftigung mit dem Bürger.

„Wie sieht Nicole das mit dem Rückkanal“

Twitter-Session

Simon: Man muss authentisch sein. Wenn bei Twitter ein Büro die Eingänge bearbeitet, dann  muss das auch klar beschrieben sein, wer da antwortet. Auch Querulanten aber werden Twitter irgendwann entdecken, da solle man sich nichts vormachen. Die Frage ist dann, was man denn macht, wenn der Rückkanal irgendwann mal zu voll wird. Noch sind wir im Experimentierstadium.

„Ist Authentizität nicht auch eine Gefahr, da man irgendwann daran gemessen wird, was man früher mal kommuniziert hat?“

Schäffler: Das ist aber immer so, auch bei Zeitungsaussagen oder Pressemeldungen ist das ja so.

Groote: Man muss sich immer genau überlegen, was man schreibt und sich Spielregeln überlegen.

„Herr Beck, Sie nutzen Twitter sehr häufig, da kommt vieleicht auch mal etwas privateres mit rein, hab ich das Gefühl“

Beck: Ich twitter nun nicht, was und wann ich frühstücke usw. Das mache ich nicht und interessiert mich auch nicht bei anderen. Trotzdem muss man ja persönlicher schreiben als in einer Pressemeldung.

„Wann wird das wohl mal beginnen, dass die Partei den Rückkanal steuern will? Dass man also steuern will, was wie getwittert wird?“

Groote und Schäffler: Passiert bislang noch nicht, aber man beobachtet natürlich schon, was so geschrieben wird.

Beck: Bei uns sind ja recht viele aktiv. Das wird daher derzeit auch schon dazu genutzt, Facebook etc. zur innerparteilichen Meinungsfindung zu nutzen. Man kann eher beobachten, was die Basis so denkt. Facebook ist wie ein kleiner Parteitag.

„Wie lange bleibt der Rückkanal wohl offen?“

Simon: Ich denke, sobald die Massenreichweite erreicht wird, mag das passieren. Gefahr aber evtl von anderer Seite: normalerweise werden die „Sender“ ausgebildet, was man wie sagt. Heutzutage kann aber jeder Sender werden und man hat direkt ein Publikum. Hier sollten vielleicht die Parteizentralen darauf achten, was ihre Parteimitglieder auf Twitter machen und diese Schulen.

Groote: Denkt nicht, dass es da Nachschulungen geben muss/soll. Soziale Netzwerke führen halt dazu, dass Hierarchien wegfallen und die Kultur wird sich ändern und damit auch der Umgang damit.

Publikumsfrage an Nicole Simon: „Wird das nicht eher Twitter schaden, dass dort mehr und mehr „Querulanten“ auftauchen werden und die Relevanz von Twitter dadurch schwindet?

(Meine Meinung: Man entscheidet ja, wem man folgt und man wird auch wissen, wem der zugehörig ist).

Twitter-Session

Beck noch zum Rückkanal: Wenn das mal zuviel wird beim Rückkanal, dann ist das ja erstmal ein Gewinn für die Demokratie. Wenn ich das aber nicht mehr selbst machen kann, dann muss ich das halt an mein Büro abgeben. Die Tweets von denen müssen aber klar gekennzeichnet sein. So läuft das ja auch in anderen Bereichen.

Publikum: „Wie bedeutend ist denn wirklich son Blog oder Twitter. Wir sprechen ja hier schon so, als wäre das ein Massenmedium“.

Schäffler: 10-20% beschäftige ich mich mit diesem Themen. Darunter fallen auch die Blogeinträge, die ich für verschiedene Blogs schreibe. Denkt auch, dass Blogs extrem an Bedeutung gewinnen werden. Und auch jetzt haben schon Blogs eine Relevanz in den Medien. Und wenn ich über ein Blog 5000 Menschen erreiche ist das schon ne Menge verglichen damit, wieviele Veranstaltungen ich dazu machen muss.

Groote: Kommt auch auf das Thema an. Z.B. bei Klimaschutz schaut man eher mal rein, wie die Meinungsbildung da ist.

Don: „Beispiel Netzsperren: Mehr ein Thema auf Twitter und co, aber nicht in den Massenmedien. Sehen Sie dort einen Druck auf Politiker, sich damit zu beschäftigen?“

Beck: Da muss sich die Twitter-Gemeinde auch fragen, ob die gemeinde nicht zu selbstbezogen ist. Es gibt da viel Kompetenz, vor allem technisch. Übertragung auf das echte Leben: Da ist eine Strasse an deren Ende ein KiPo-Händler sitzt und man sperrt die Strasse anstatt den Händler hops zu nehmen oder dessen Bilder zu beschlagnahmen.

Aber was dort an Kompetenz ist, erreicht die Poltiker gar nicht, da es nicht in der Zeitung steht. Die klassischen Medien haben den Knochen gefressen, den Frau von der Leyen hingeworfen hat. Muss man sich da nicht drum kümmern, dass man mehr Massenmedien erreicht. Das ist leider nicht passiert.

Twitter-Session

Wurde das in der SPD intern diskutiert?

Groote: Wie Volker Beck muss  man mit Bildern arbeiten, denn wenn es zu technisch wird, dann machen viele auch schnell in der Diskussion zu.

Simon: Man muss vielleicht klassische Lobbyarbeit machen, man muss sich die Mechanismen der Massenmedien anschauen und nutzen.

Publikum: Wie Kampagnenfähig halten Sie Twitter und Facebook?

Schäffler: Nicht zu dieser Wahl wird das eine relevante Größe erhalten, wird aber bei der nächsten Wahl so normal wie die eigene Homepage sein. Ich merke aber auch bei Kollegen, dass immer mehr Leute einen drauf ansprechen oder gar Twitter nutzen.

Twitter-Session auf dem PolitCamp 2009 from MrTopf on Vimeo.

Publikum: Welchen Einfluss haben so Netzöffentlichkeiten bei Ihrer Meinungsbildung und wie können die gegen Lobbygruppen anstinken?

Schäffler: Für mich spielt das eine grosse Rolle. Ich interessiere mich sehr dafür, was in meiner Blogszene passiert. Somit findet eine indirekte Beeinflussung statt und das finde ich auch gut.

Groote: Es wird das Spektrum erweitert, was die Meinungsbildung betrifft. Man hat die Anhörungen im Parlament, wo die Lobbyisten sind. Und mit sozialen Netzwerken sind es nicht nur die Verbandsvertreter, sondern auch Otto Normalverbraucher, der seine Meinung kundtun kann.

Simon: Ich sehe da grosses Potential für die Meinungsbildung. Warum ist Twitter so wichtig? Weil es so einfach ist, es kann jeder bedienen. E-Partizipation mag komplizierter sein und wird daher weniger Reichweite haben. Und wenn ich weiss, dass mein Politiker sich die Replies auch anschaut, dann kann ich da mehr meine Meinung kundtun.

Wird Twitter etc. die Parteistrukturen ändern?

Beck: Bürgerinnen und Bürger mögen geschlossene Parteien, aber Twitter und Co. führt zu mehr offener Demokratie. Man muss dazu nun aber den eigenen individuellen Akteur in der Partei zulassen, zwar loyal aber doch mit gewissen Freiheiten. Man kann dadurch auch schnell abfragen, welche Themen denn eigentlich relevant sind für die Netzgemeinde.
Ich warne davor bei all den Versuchen von E-Demokratie, unechte Beteiligungssysteme zu schaffen. Ich glaube nicht, dass man den Bürger in die Ausschussarbeit einbinden kann. Man soll den Leuten nicht vorgaukeln, dass sie Einfluss hätten, wenn sie es in Wahrheit nicht haben.

Don: Ist das nicht genau der Punkt: Trifft der Bürger nicht immer auf die parteipolitische Wand und komme mit meiner Meinung gar nicht durch?

Beck: Demokratie sind zwei Dinge: 1. Ich kann mich frei artikulieren und niemand kann mich daran hindern, 2. Demokratie ist auch die Organisation von Interessen. D.h. dass sich Leute nicht nur artikulieren müssen, sondern sie müssen sich auch organisieren in Verbänden usw., um Macht ausüben zu können.

Groote: Es gibt ja Mechanismen, wo jeder Bürger sich einbringen kann (Folgeabschätzung) und das lesen wir alles (Beck ist skeptisch, dass dies wirklich passiert)

Beck: Man schafft es quantitativ gar nicht, alles durchzusehen. Im Bundestag sind wir damit überfordert. Auch hier sollten keine Illusionen geweckt werden.

Schäffler: Der Staat sollte nicht die Organisationsstrukturen im Netz regeln wollen. Wie sich das organisch entwickelt ist doch super.

Learnings:

  • Nur twittern hilft nicht, man muss sich auch organisieren
  • Offensichtlich gibt es nock Rückkanalprobleme zwischen Politikern, Journalisten und Bürgern.

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