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JMStVCamp – mein Fazit

Jetzt liegt es also hinter mir – das JMStVCamp. Also auch Zeit, noch einmal zu danken! Zunächst den Leuten, die geholfen haben, allen voran Jürgen Ertelt, Eva Mira Bröckelmann, Frank Hermann, Ben Jopen und all den anderen, die entweder an der Registrierung saßen, Equipment mitgebracht haben, mitprotokolliert haben und natürlich auch mit diskutiert haben!

Insgesamt waren ca. 110 Personen da, bunt gemischt von Politiker, über Vertreter von FSM, FSK oder USK, Medienpädagogen, Wissenschaftler oder auch einfach interessierte Bürger (so wie ich). Das allein ist eigentlich schon ein Erfolg, denn gerade die Durchmischung der Stakeholder ist ja oft ein Problem.

Doch frage ich mich natürlich auch, was inhaltlich so herauskam.

Meine Fragestellung: Was genau ist das Problem?

Die in der Eröffnungssession von mir genannte (persönliche) Fragestellung war ja, was denn das eigentliche Problem ist, dass es zu lösen gilt. Damit meine ich nicht, wie man am besten irgendwelche Paragrafen erfüllt, sondern, was genau für Kinder und Jugendliche nun schädlich ist.

Denn nur wenn man das definiert hat, kann man ja sinnvollerweise erst nach Lösungen suchen.

Doch ob ich der Beantwortung dieser Frage nun nähergekommen bin, weiß ich nicht so genau. So wurden auch auf dem Camp Wirkungsweisen von Medien eher am Rande diskutiert und dann auch mehr nach eigenen Annahmen und nicht so sehr nach Fakten. Vielleicht ist es aber auch einfach die falsche Frage, denn wahrscheinlich kann man Wirkungsweisen auch nur sehr schwer isoliert betrachten, da ja in der Entwicklung eines Kindes viele Einflüsse auf dieses einströmen.

Wer hat Angst vorm Internet?

Vielleicht also sollte man eher schauen, was Kinder und Jugendliche so als problematisch einstufen und da könnten die KIM- und JIM-Studien hilfreich sein, die wir ja auch diskutiert haben. So wurde dort eine Zahl von 6% der befragten Kinder genannt, die schon einmal Inhalte im Internet gesehen haben, die ihnen Angst gemacht haben. Manche haben dann ihre Eltern oder Freunde um Rat gefragt, aber 24% haben danach das Internet zunächst einmal nicht mehr genutzt. Eine Schutzreaktion also, die man ja sicher auch selbst von manchem in der Kindheit geschauten Film her kennen mag. Leider wurde nicht weiter untersucht, was die langfristige Folge davon ist. Weiß man danach, mit diesen Inhalten umzugehen? Wer von dern 24% hat überhaupt die Eltern gefragt oder waren das nur die, die allein gelassen wurden?

Für die Diskussion rund um den JMStV ist dabei die Hauptfrage allerdings, ob man diese 6% (oder vielleicht eher 24% der 6%) für viel oder wenig hält und ob man annimmt, mit irgendwelchen technischen Hilfsmitteln helfen zu können. Offen bleibt trotzdem natürlich die Frage, was Hilfe heißt. Keine solchen Inhalte zu sehen oder aber lernen, mit diesen umzugehen?

Dies ist wohl eher eine gesellschaftliche, denn wissenschaftliche Frage. Aber hier ist es wohl wie mit allen Dingen in Deutschland: Man will 100%ige Sicherheit. Die kann es nicht geben, das sagt auch jeder, aber anstatt nach Alternativen zu suchen, sagt man, dass man doch zumindest das Ziel haben könnte. Leider kein sinnvolles Vorgehen.

Die technische Lösung

Zusammen mit Andre Gülzow, Maik Rauschke, Guido Brombach und Henning Tillmann haben wir eine Session zum Thema der technischen Filtermöglichkeiten angeboten. Andre und Maik haben dabei ihr Problem dargelegt, dass sie in den von ihnen betriebenen Internetcafés für Jugendliche die gesetzliche Vorgabe haben, entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte entsprechend herauszufiltern. Dies ist viel Arbeit und ein Overblocking lässt sich nicht vermeiden. Sie wollten daher den Ansatz des Crowdsourcings diskutieren, wo also nicht sie die Seiten bewerten, sondern dies durch eine Community getan wird.

Eine ähnliche Idee hatte ich ja auch, weswegen ich damals We Rate It als Experiment implementiert hatte. Auch Henning hatte eine solche Idee, nur dass man bei mir eher die Altersstufe angibt und bei ihm nur einen Daum hoch und runter und eine Voreinstellung, wie alt das Kind gerade ist.

In der Diskussion kamen aber auch schnell die Schwachstellen dieser Ansätze zum Vorschein: Wie nämlich weiß ich, dass die Meinung der Crowd genau auf mein Kind passt? Wie kann ich Missbrauch durch Bots und ähnliches verhindern? Wie kann ich selbst denn Einfluss nehmen?

Es wurde dann noch viel über verbesserte Tools gesprochen, z.B. eines, wo man aus verschiedenen Bewertungsquellen wählen könnte oder aber eine Inhaltsanalyse macht.

Mein Fazit der Diskussion war aber eigentlich die gleiche wie nach meinem eigenen Experiment: Jeder scheint auf der Suche nach der perfekten Technik zu sein, wird dieses aber nie erreichen. Das Ergebnis ist wieder nur eine trügerische Sicherheit. Technik ist demnach hier nicht die Lösung und das sollte auch so kommuniziert werden.

Medienkompetenz?

Womit wir beim Thema Medienkompetenz wären, was aber leider ein Schattendasein bei diesem Camp spielte, denn so viele Medienpädagogen waren entweder nicht anwesend oder aber haben keine Sessions angeboten. Hier hoffe ich doch bei einem der nächsten Camps auf ein bisschen mehr Input, damit ich endlich lerne, was genau denn Medienkompetenz ist und wie sie denn praktisch und konkret vermittelt werden kann.

Paragrafen

Stattdessen gab es dann doch wieder die Diskussion um den abgelehnten JMStV und warum er doch nicht so schlecht war, alles nur besser hätte kommuniziert werden müssen und was die rechtlichen Probleme z.B. der Erotikbranche sind. So ist diese aus offensichtlichen Gründen eher für eine Altersklassifizierung statt Sendezeitenbegrenzung und damit auch für die JMStV-Novelle. Obb dies nun den Kindern und Jugendlichen hilft, ist dabei wohl eher zweitranging. Hauptsache, die gesetzlichen Vorgaben sind irgendwie erfüllt.

Trotzdem dazu noch ein paar Anmerkungen: Der JMStV war schlecht und vor allem unverständlich geschrieben und auch wenn man sagt, dass er für Blogger ja gar kein Problem darstellt, dann muss das auch da drin stehen. Vertrauen in die KJM haben nämlich nur wenige. Auch würde mich interessieren, wie genau man denn die Grenze ziehen will. Dasselbe gilt für die Frage, ob das Labeln denn nun freiwillig ist oder nicht.

Evtl. hilft hier eben doch die Aufteilung in 2 Texte, einen für Rundfunk und einen für das Internet, anstatt alles so zusammen zu mischen.

Dann gibt es natürlich das Problem der Erotikindustrie, dass man lieber labeln will anstatt Sendezeitenbegrenzung einzusetzen. Dies aber ist ein juristisches Problem und die eigentliche Frage, nämlich, was warum eigentlich ab wann welchem Kind zugemutet werden kann, bleibt auch dabei offen.

Fazit

Ich bin mir im Moment nicht so sicher, ob das Camp mich persönlich jetzt so viel weiter gebracht hat. Die juristischen Diskussionen kennen wir und einer genauen Problemdefinition bin ich persönlich nicht näher gekommen, vielleicht auch, weil dies unmöglich ist.

Da wir aber keine Anzeichen eines Versagens unsere Jugend beobachten (laut Shell-Studie zumindest) und dies, trotz eines im Moment eher ungefilterten Internets, bleibt die Frage, ob denn soviel wirklich geschützt werden muss.

Dennoch gibt es natürlich die gesellschaftliche Forderung, dass etwas getan werden soll. Hier ist aber die Politik in der Pflicht, zunächst einmal klarzumachen, dass der beste Schutz immer noch der ist, sich mit dem Kind mit diesen Inhalten zu beschäftigen und dass technische Lösungen hier wirklich nur eine Krücke sind, sie keinerlei Sicherheit garantieren kann.

Auch wäre aus meiner Sicht die Politik in der Pflicht, für ein System zu sorgen, dass wegen einer relativ kleinen Anzahl von 6% (oder 24% von 6%) von Problemen, das ganze Internet überreguliert. Hier sollte man eher genau untersuchen, wie sich diese 6% zusammensetzen, was für Inhalte dies eigentlich waren und wie man darauf reagiert hat.

Generell aber scheint mir das, was im Internet passiert, nicht soviel anders als das restliche Leben zu sein. Auch dort geschehen unangenehme Dinge, man wird beleidigt, gemobbt, muss sich mit Leuten herumschlagen, die nicht seiner Meinung sind, man sieht Tod und Krankheit, man hat Angst im Dunkeln. All das akzeptieren wir in der nicht-Internet-Welt und man muss lernen, damit umzugehen, anstatt so zu tun, als würde es nicht existieren.

Ansonsten will ich aber dennoch ein positives Fazit ziehen, denn wir waren ja eine recht bunte Truppe und gerade das ist wichtig. Nicht, wie bislang, über Gräben hinweg Forderungen und Kritik rüberschreien, sondern sich an einen Tisch setzen und mal miteinander reden. Und hier scheint sich in den letzten 2-3 Jahren doch eine Menge getan zu haben, wie man vielleicht merkt, wenn man sich mal die Zeit der Netzsperren gegenwärtig macht. Wir brauchen also mehr Barcamps und hoffentlich auch Online-Diskussionen und ich hoffe, dazu einen kleinen Beitrag geleistet zu haben.

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