Da ja das PolitCamp kurz bevorsteht, will ich versuchen, bis dahin jeden Tag eine Politik-Post hier auf dem Blog zu platzieren. Begonnen habe ich ja im Prinzip gestern mit dem Bericht vom PirateCamp vom Sonntag. Heute kommt ein Artikel den ich schon längst hätte posten wollen, es aber nie getan habe.
Und zwar ist dieses ein Bericht von meiner Sesseion vom ersten PirateCamp im Februar zum Thema „Wozu braucht man ein Wahlprogramm?“
Hier zunächst meine Fragensammlung:
Wozu braucht man ein Wahlprogramm?
Natürlich ist die Frage generell etwas provokant gestellt, aber sie hat anscheinend zu einer recht angeregten Diskussion geführt, auch wenn das eigentliche Thema dann verlassen wurde.
So wurde u.a. auch Bürgerbeteiligung thematisiert und laut den Anwesenden würde die Piratenpartei sich da von anderen Parteien absetzen, indem sie nicht nur darüber reden würde, sondern dies auch ernst meinen würde.
Beispiele für Bürgerbeteiligung seien die Stammtische aber auch die AG Bildung wo von 15 aktiven Mitgliedern 2-3 Nicht-Piraten wären und es auch solche gäbe, die dadurch in die Partei eingetreten sind.
Meiner These, dass Themen ja nie fertig seien, wurde aber auch zugestimmt, das Wahlprogramm sei nur eine Momentaufnahme. Meiner Meinung nach muss dies dann aber auch kommuniziert werden (z.B. in einer Präambel oder ähnlichem), denn normalerweise gilt ein Wahlprogramm ja die ganze Legislaturperiode hindurch, denn daran misst einen „das System“ ja nachher (System = Presse, andere Parteien, Bürger). Auch bei der nachfolgenden zweiten Programm-LMV konnte man ja recht gut beobachten, dass viele Punkte des Wahlprogramms noch recht viel Diskussionsbedarf erforden, der auf einer LMV natürlich nicht geleistet werden kann. Trotzdem bleiben für mich die Fragen:
- Sollte man es ein Wahlprogramm nennen?
- Stimmt dann der Inhalt? Sollte alles als Lösung formuliert sein oder eher als Lösungsvorschlag?
- Wo wird beschrieben, wie damit nach der Wahl verfahren wird?
- Wie genau sieht der Ansatz der Piratenpartei nun aus?
Eine weitere Diskussion dazu gab es ja auch beim PirateCamp am letzten Sonntag, wo es um die Kernthemen ging. Dabei ging es allerdings mehr um die Frage, inwieweit das Wahlprogramm denn thematisch erweitert werden soll. Zwar wurde auch dort Bürgerbeteiligung wieder genannt, allerdings nicht genauer definiert, wie diese denn erreicht werden soll. Stattdessen ging es dann um die Frage, ob man denn bestimmte Inhalte nur als Verhandlungsmasse im Wahlprogramm ständen, ob man Grundprinzipien für Stimmen über Bord werfen dürfe und ob man denn eine Machtperspektive haben soll oder nicht.
Medien und Basisdemokratie
In der ersten Session führte dies dann auch zu einer Diskussion über Basisdemokratie, denn in der Session davor wurde von einem Redakteur von DerWesten noch erklärt, dass man als Zeitungsredakteur keine Kakophonie von Meinungen haben will.
Dies ist dann normalerweise ja auch der Grund, warum die anderen Parteien eher geschlossen sind. So wurde mir auf Nachfrage, warum die LAG Medien der Grünen nicht einsehbar sei, gesagt, dass es eben wegen der Presse sei, damit nicht Meinungen vorab als Parteimeinung publiziert würden. Ähnliches allerdings auch derzeit aus den Reihen der Piratenpartei.
Nun stellt sich aber die Frage, wie man reagiert, wenn ein Reporter dem Piraten-Politiker eine Frage stellt. Kann man dann antworten, dass man dazu zunächst die Basis befragen oder aber ein Liquid Democracy-Tool einsetzen muss? Was darf dann der gewählte Vertreter im Landtag? Muss er immer die Basis vor jedem Interview befragen?
Die Grundfrage wäre also eher: Will man das System ändern? Wie genau? Und will man dies erreichen, indem in dem System agiert oder indem man Alternativen versucht?
Beispiel: Für oder gegen den Kauf der Steuerbetrüger-CD?
Ein Beispiel zeigen ja auch die Pressemeldungen der Piratenpartei, die anscheinend auch hier und da aus dem Nichts entstehen und die Basis ab und an überraschen. Ein Beispiel war die Frage, ob die Steuerbetrüger-CD gekauft werden sollte oder nicht. Auf der Aktiven-Liste wurde dies sehr kontrovers diskutiert und es gab viele Gründe für und gegen den Kauf. Dann kam plötzlich eine Pressemeldung, die besagte, dass die Piratenpartei gegen den Kauf sei. Kurz darauf erschien dann ein verwunderter Post auf der Aktiven-Liste, wie denn diese Meinung zustande kam.
Und hier eben ist das Frage: Müssen sich die Medien auch umgewöhnen (und damit der Bürger), dass es keine spontanen Meinungen geben kann, die dann auch fundiert und von einer Partei getragen werden? Oder fügt man sich ins System (wie es im Moment ja passiert) und spielt schön mit? Inwiefern tangiert dies aber dann die Basisdemokratie?
Wann braucht man kein Wahlprogramm mehr?
Und zurück beim Thema Wahlprogramm wurde dann auch gesagt, dass man im Moment noch eines brauche, denn
- die Medien erwarten es
- die Bürger fragen danach
- man hat noch nicht die Tools, wie Liquid Democracy, um es dynamischer zu gestalten
Auch hier stellt sich die Frage, wie lange man denn mitspielt und wann nicht mehr. Ist es wirklich einfacher etwas anders zu machen, wenn man erstmal im Landtag sitzt?
Rein oder nicht rein, das ist hier die Frage
Und darum ging es dann auch. So gab es Stimmen, die meinten, dass man es lieber sehen würde, 4% zu schaffen anstatt in den Landtag zu kommen. Dies aus mehreren Gründen:
- Bei 4% werden die Piraten-Themen von anderen Parteien aus Angst aufgegriffen. Da die Themen im Vordergrund stehen, ist dies auch super und man hat mehr Freizeit.
- Auch zwischen 2% und 4% macht es schon einen Unterschied, da die Mehrheiten knapp sind
- Es fehlen im Moment noch die richtigen Tools und Strukturen, um für den Landtag gerüstet zu sein.
- Man hat weniger Druck/Gegenwind durch Medien und kann den Leuten unbelastet erklären, wofür man steht
- z.B. muss Bürgerpartizipation den Leuten noch viel mehr erklärt werden
- die Listenkandidaten wurden mehr aus dem Bauch heraus gewählt, manch einer hat sich wohl noch nicht wirklich klargemacht, was es heisst, in den Landtag einzuziehen
- Wenn man dauernd sagt 5% 5% 5%, dann glaubt man nachher noch dran und ist bei 4,5% masslos enttäuscht
Natürlich gab es auch viele Gründe für den Einzug, eben dass man mehr verändern kann, mehr gehört wird, mehr Geld hat und es die Partei auch bundesweit stärken würde. Und natürlich kann man den Bürgern schlecht sagen, dass man gar nicht rein will.
Als weiterer Punkt wurde genannt, dass man im Moment eher Angst vor dem Diskussionstil der Piraten auf Mailinglisten habe als denn den Medien.
Aber trotzdem bleibt die Frage, ob man dann noch Zeit hat, die notwendigen Strukturen und Tools weiterzuentwickeln oder man vom System dann erst Recht gefressen wird.
Wie kann der Bürger denn nun mitmachen?
Es wurde erwähnt, dass auf jedem Flyer ein Link zum Mitmachen stehen würde, aber es wurde auch eingeräumt, dass die Technik im Moment auch eine Einstiegshürde sei, selbst Mailinglisten sind ja nicht von jedem zu verstehen.
Ich habe noch angemerkt, dass man ruhig mehr Werbung für spezielle Bereiche machen könnte, z.B. könnte man eine Pressemeldung herausgeben, wo man explizit zum Mitmachen beim Wahlprogramm aufruft und zwar inklusive der Links zu allen AGs. Passiert ist dies allerdings wohl nicht.
Zudem hiess es, dass man auch noch viel mehr publik machen müsse, dass man eine wirkliche Mitmach-Partei sein. Und zwar solange bis es den Piraten selbst zu den Ohren herauskommt.
Dieses solle sich aber nicht nur auf „Otto Normalbürger“ beziehen, sondern auch auf andere Parteien. Auch dort müsse man die Themen mehr hineintragen, damit auch diese sich darum kümmern.
Ob das so einfach ist, ist aber natürlich die Frage, denn sobald man als Partei kommt, ist man Teil des Systems und auch automatisch ein Gegner. Im Moment scheinen zwar viele Parteien den Dialog mit den Piraten zu suchen, aber dies wohl nur aus dem Grund, da man versucht, deren Themen zu besetzen, um damit im Wahlkampf zu punkten. Nun ist der erste Teil (also die Themenerweiterung der anderen Parteien) ja dieses Ziel, aber dies wird wahrscheinlich nicht mehr so sein, sollten die Piraten bei der Wahl entweder total abstürzen oder aber in den Landtag einziehen.
Die offenen Frage
wäre also:
Ändert man ein System durch mitmachen oder rebellieren?
Sicherlich ist die Piratenpartei anders, indem sie zumindest in grossen Teilen alles online für alle lesbar und meist auch veränderbar einstellt. Auch in Sachen Bürgerpartizipation online ist sie wohl den anderen Parteien weit voraus. Dass die anderen Parteien es nicht so meinen würden, wage ich aber zu bezweifeln. Es fehlen einfach allen Parteien im Moment noch die richtigen Tools. Online sind die Piraten dem Rest auf jeden Fall weit voraus.
Auch fehlt es an Kommunikation. Ein Link auf eine Mitmachseite ist ja gut, aber für viele nicht richtig zielführend. Meiner Meinung nach bedarf es sehr vieler Aufrufe auf Homepages, Pressemeldungen usw., die sehr spezifisch sagen, wo man wie zu was mitmachen kann.
Auch sollte man sich Ziele setzen, wann man dann zufrieden mit dem Anteil an Bürgerpartizipation ist. 2-3 Nicht-Piraten kann ja nicht zufriedenstellend sein bei einem Bundesland mit ca. 18 Millionen Einwohnern. Man sollte nicht in den Reflex wie die anderen Parteien fallen, dass wer wirklich mitmachen will, es schon irgendwie finden wird. Der Bürger erwartet solche Möglichkeiten ja gar nicht, also muss man ihn wirklich umerziehen. Sollte da also nicht der zentrale Punkt im Wahlprogramm die Bürgerbeteiligung sein? Und dabei meine ich nicht nur verbesserte Abstimmungen.
Insgesamt ist es auf jeden Fall interessant zu beobachten, ob die Piratenpartei wirklich irgendwie anders ist, sein wird und vor allem: sein will.