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NPBBXL: Intransparenzfalle Politik

Wenn man sich so langsam in den politischen Zirkeln dieser Republik einfindet (was irgendwie aber nie ein Ziel war), dann merkt man eines schnell: Der Default ist „geheim“. Dies wird auch meist gar nicht diskutiert, sondern wird von den meisten Beteiligten einfach angenommen und die meisten Prozesse scheinen genau darauf ausgelegt zu sein. Und will man irgendwo mitdiskutieren, so befindet man sich schneller, als man denken kann, in einer solchen Intransparenzfalle.

Sicher, man könnte einfach mal alles veröffentlichen, aber das verbietet sich meist doch, da man ja irgendwie so ein unbewusstes Einverständnis gegeben hat und das ja auch irgendwie uncool gegenüber den anderen Beteiligten ist. Und dies sind ja nicht notwendigerweise die „politischen Feinde“ (auch so ein Ausdruck, der mal abgeschafft werden sollte), sondern auch die mit ähnlicher Meinung.

Interessant dabei ist auch, dass selbst Diskussionen darüber, wie man mehr Transparenz erreichen kann, gerne mal hinter verschlossenen Türen geführt werden und z.B. beim JMStV, wo gerade die Intransparenz des Prozesses angemahnt wurde, offene Briefe ebenfalls in eher geheimen Etherpads verfasst wurden.

Das gefällt mir nicht, ist aber zum Glück zumindest immer öfter in der Diskussion. Und so auch beim ersten netzpolitischen Bier Brüssel, welches ich im übrigen sehr nett fand, da es recht international war. Im Folgenden daher eine kleine Zusammenfassung der Diskussion und eine Sammlung von Argumenten und meinen Gegenargumenten.

Politik = zwingende Intransparenz?

Was ich oft bemerke ist, dass Leute aus dem politischen Geschäft immer auf irgendwelchen Rückzugsräumen und ähnlichem bestehen. Irgendwo müsse man doch auch mal unbeobachtet seine Meinung sagen können. Man müsse irgendwo mal Argumente ausprobieren oder eine Strategie entwickeln, wie man andere Leute überzeugt. Vielleicht ist hier auch die Angst vor so Versprechern gemeint, wie ich ihn tätigte, als ich sagte, dass mit Lügen etwas gegen den Strich geht. Man widersprach, dass es ja gar nicht ums Lügen gehe, was mir eigentlich auch klar war. So falsch war es allerdings vielleicht dann doch nicht, wie ich unten darlegen werde.

Generell habe ich aber bei so geschlossener Kommunikation immer Bauchschmerzen, denn ich will ja schließlich nicht immer nachdenken müssen, wem ich jetzt was genau sagen darf. Ich will auch die Meinung aller hören und nicht in meiner eigenen Echo Chamber schmoren. Ich will nicht nur eine fertige Meinung präsentieren, die auf Teufel komm raus verteidigt werden muss. Je mehr Personen Argumente liefern, desto besser.

Aber schauen wir uns die Argumente gegen Transparenz mal genauer an:

Wenn öffentlich getagt wird, dann übt man eher Selbstzensur

Ist das so? Auf Mailinglisten erlebe ich manchmal eher das Gegenteil, ebenso im Fernsehen und Bundestagsdebatten, so scheint es, sind auch oft nicht der Platz, wo man sich von der besten Seite zeigt.

Aber selbst, wenn dem so ist, dann kann man das doch sicher üben und sollte sein Selbstvertrauen stärken. Vielleicht ist das ja auch schon ein Fall für die Schule, schließlich will man doch Bürger haben, die sich trauen, öffentlich ihre Meinung zu sagen, oder? Das zumindest sollte das Ziel sein!

Lobby-Vertreter reden offener und bewegen sich eher, wenn die Sitzung nicht öffentlich ist

Hier war der Punkt, dass Mitglieder von Lobby-Vereinigungen es vielleicht schlecht aufnehmen würden, wenn sie wüssten, was ihr Vertreter wirklich sagt.

Aber: Warum sollten diese Lobby-Vertreter denn kein Anrecht auf die Wahrheit haben? Und es geht ja auch nicht nur um die ganz klar als subversiv zu erkennenden Lobbys wie die der Pharmaindustrie, Polizei oder Internet-Aktivisten. Jeder Bürger ist ja eine Interessengruppe für sich, die der Abgeordnete vertritt. Und das würde ich schon sagen, dass dieser ein Anrecht hat, zu erfahren, was der da treibt.

Und wurde mir nicht auch widersprochen, dass es nicht ums Lügen ginge? Was machen denn die Lobby-Vertreter, wenn sie von ihrer Position abweichen? Ist das dann keine Lüge ihren Mitgliedern gegenüber?

Und soll das offenere Auftreten von Lobby-Vertretern wirklich als Entschuldigung dafür herhalten, dass der Bürger aus diesen Meetings nichts erfahren darf?

Wenn die Sitzungen offen sind, dann trifft man sich vorher, um die Strategie abzusprechen

Das mag sein, wenn es Transparenz als Zwang gesehen wird. Das Ziel sollte aber nicht der Zwang sein, sondern der Wunsch aller Beteiligten nach offenen Sitzungen. Dies geht anscheinend hinreichend gut in der Piratenpartei und bei mir. Dass es anderswo nicht gehen soll, sehe ich daher nicht. Ich gebe aber zu, dass es evtl. ein langer Weg ist, da man es sich in seiner Intransparenz ja recht gemütlich gemacht hat.

Aber der Bürger fordert es ja mehr und mehr und wenn es an einer Stelle klappt, dann wird schnell der Wunsch nach mehr Laut. Also stellt man sich besser gleich drauf ein.

Und wenn nun der Wunsch nach Intransparenz nicht vorhanden ist, dann braucht es natürlich auch keine geheimen Vorbereitungssitzungen.

Man muss sich doch erstmal eine Strategie überlegen können!

Kann mir hier mal jemand ein Beispiel für eine Strategie nennen? Braucht man die nicht nur, wenn man keine Argumente hat? Braucht man die evtl. auch eher, um in einer zeitlich begrenzten Sitzung am Ende zu einer Lösung zu kommen? Baut solch eine Strategie nicht eher darauf auf, den Gegenüber zu überrumpeln?

Will man das? Ist das das Zeichen einer sinnvollen Debatte und die Suche nach einer vernünftigen Lösung? Ich glaube eher nicht und daher braucht es auch keine geschlossenen Sitzungen, um sich eine Strategie zu überlegen. Dass dies trotzdem nicht ausgeschlossen ist, ist natürlich auch klar.

Im Vordergrund sollten Argumente und nicht Diskussions-Strategien stehen.

Wenn man alles öffentlich diskutiert, bekommen das Leute in den falschen Hals

Wie oben schon erwähnt, probiert man in Sitzungen vielleicht einfach mal Argumente aus, schaut, wie die ankommen, sagt vielleicht auch mal etwas Dummes. Und dann kommt irgendein böser Mensch und schlachtet das aus.

Aber ist das so? Wenn alle wissen, dass man genau das oben beschriebene tut, ist das dann ein Problem, vor allem, wenn alle das so machen? Ist das nicht eher das Wesen der Diskussion, dass man so zu einem Ergebnis kommt?

Für mich ist es auf jeden Fall genau das, was ich mitbekommen will. Vielleicht mag ein Argumente nicht stichhaltig sein, aber vielleicht kann man darauf aufbauen und etwas ganz anderes entwickeln. Das geht nicht, wenn nur das Endprodukt präsentiert wird. Und dass der Bürger das nicht versteht, glaube ich auch nicht, denn der wird ja gern mal unterschätzt. Ein „Wie erklären wir das denn jetzt dem Volk“ braucht es daher eher nicht, vor allem, wenn das „erklären“ eher oberflächlich ist. Stuttgart 21 hat gezeigt, dass Bürger sehr wohl auch an Details interessiert sein können.

Außerdem wurde mir von politischer Seite beigesprungen und erklärt, dass es in der Stadt Berlin durchaus öffentliche Ausschuss-Sitzungen gäbe. Es müssen sich nur alle des Kontextes klar sein und dann klappt das auch meist.

Manche Informationen sind problematisch

Beispiele hierfür sind potentiell kriegsauslösende Informationen oder solche, die die nationale oder auch persönliche Sicherheit bedrohen. Hier würde ich sogar zustimmen, dass man bei solchen Informationen Vorsicht walten lassen muss.

Dies ist jedoch nur ein sehr kleiner Bruchteil dessen, was an Informationen anfällt und hier kann es klare Regeln geben, wie dann zu verfahren ist und wie man auch kontrolliert, dass diese Regeln auch eingehalten werden. Aber auch hier zähle ich eher auf den Willen zur Transparenz.

Fazit


Ich bin immer noch nicht überzeugt, dass es Rückzugsräume geben muss. Ganz im Gegenteil, ich verstehe nicht, warum man sich solch etwas überhaupt wünscht. Habe ich eine Idee, wird die sofort auf Twitter verbreitet und entweder ist es eine gute Idee und findet Resonanz oder ich höre Gegenstimmen und dann war es halt eine schlechte und ich überlege mir was neues. Sicherlich muss man dann auch mal eingestehen können, dass man unrecht gehabt hat, aber so schlimm ist das ja nun auch nicht, schliesslich hat man was gelernt.

Und ob das im politischen Betrieb so anders sein muss, glaube ich auch nicht. Nur traut sich halt kaum einer, das mal auszuprobieren. Ohne Ausprobieren aber wird man es nie herausfinden.

(photo credit: Sven Javanrough, http://www.flickr.com/photos/wvs/2877974590, composing by MrTopf, licensed under CC-BY-NC)


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