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Campusbahn: Warum ich mit Nein gestimmt habe.

Morgen also findet er statt, der Bürgerentscheid zur Campusbahn. Da ich unterwegs bin, habe ich schon per Briefwahl abgestimmt, will hier aber trotzdem noch meine Gründe für mein Nein darlegen. Zuvor will ich aber noch klarstellen, dass ich das Projekt an sich gut finde. Es ist ein innovativer Ansatz (und wäre es noch viel mehr mit der Schaufenster-Förderung gewesen), allein die Art und Weise, wie man an das Projekt herangeht und wie eher fanatisierend statt informierend unterwegs ist, hat mich schlussendlich zu meiner Gegenstimme veranlasst. Im folgenden meine Gründe im Detail.

Warum brauchen wir die Campusbahn?

Die erste Frage, die sich stellt ist: Warum eigentlich brauchen wir eine Straßenbahn in Aachen. So einfach die Frage, so interessant die Antwort, denn die änderte sich im Laufe des Campusbahn-Projekts mehrfach. Zunächst wurde nur eine Anbindung des neuen Campus Melaten geprüft. Dort hat man allerlei Verkehrssysteme untersucht und der „Gewinner“ war die Campusbahn. Der damalige Plan: Anbindung des neuen Campus an den Bushof.

Bei der Präsentation des Campusbahn-Projekts schliesslich war es aber plötzlich der Schwerpunkt Scheibenstrasse und die Trasse hinaus nach Brand, die als Problem gekennzeichnet wurde. Weiterhin wurde in dieser Präsentation der doppelte Abijahrgang als Grund dafür genannt, dass man einen Mehrbedarf hätte. Vergessen hat man allerdings wohl, dass bis 2019 dies wohl keine grosse Rolle mehr spielt. Es verwundert daher nicht, dass dieses Argument später nicht mehr genannt wurde. 

Dafür wurde dann plötzlich der Emissionsschutz genannt, der angeblich schon bei den ersten Planungen eine wichtige Rolle gespielt habe. Meiner Erinnerung nach, wurde dies allerdings in den ersten Präsentationen mit keinem Wort erwähnt.

Weiterhin geht man bei Stadt und ASEAG von wachsenden Bevölkerungszahlen in Aachen aus. Wie sich das herleitet, dazu wollte man auch auf Nachfrage keine genaueren Quellen nennen. Man habe da etwas in Excel zusammengerechnet, wolle aber diese Berechnung nicht veröffentlichen. Gründe unbekannt.

Während dieses Hin und Her in der Argumentation nicht unbedingt heissen muss, dass die Campusbahn ein schlechtes Projekt ist, so ist sie doch etwas seltsam und auch eher unprofessionell. Das Problem Scheibenstrasse ist ja sicherlich nicht erst seit gestern bekannt und wenn man schon eine alternative Anbindungen des Campus prüft, warum dann nicht direkt nach Brand raus?

Insgesamt scheint es fast so, als würde man hier ein Problem für die gewünschte Lösung suchen und nicht umgekehrt. Dies hinterlässt aber ein eher ungutes Gefühl.

Warum fehlen Informationen? 

Um ein Projekt dieser Größenordnung vernünftig beurteilen zu können, bedarf es vielerlei Informationen. Und so hat man zu Beginn des Projekts auch viel Offenheit versprochen. Eingehalten jedoch wurde nur wenig. So hörte man in persönlichen Gesprächen mit Projektverantwortlichen immer wieder, dass man Rohzahlen lieber nicht veröffentlichen wolle, da es entweder der Gegner irgendwie missbrauchen könnten oder man aber Angst hat, den Bürger zu verwirren. Wieso aber wird eigentlich immer angenommen, dass der Bürger stockdumm ist? Auch bei S21 habe ich mir 20 Stunden der Schlichtung angesehen, habe mir alle Details angehört und hatte danach ein Gefühl für das Projekt. Zudem kann auf diese Weise ein Gegner ja beliebiges behaupten. Selbst als Befürworter kann man ohne Zahlen nur schlecht beweisen, dass er falsch liegt.  

Dazu noch ein paar Fragen:

  • Warum sind sowohl die vorläufige als auch die aktuelle standardisierte Bewertung nicht veröffentlicht? Und hat der Rat tatsächlich ohne diese Informationen entschieden?
  • Warum ist das komplette Gutachten der IHK nicht veröffentlicht? Warum ist nicht einmal die Zusammenfassung auf campusbahn.de zu finden? Wieso hat der Rat ohne diese Information entschieden?
  • Warum gibt es keine genauere Herleitung der finanziellen Aspekte? Diese 3 Seiten ist wirklich alles? Wie wurde der Schienenkilometer berechnet? Welche Städte hat man als Beispiel herangezogen? Was hat es dort gekostet? Wie sahen dort die Differenzen zwischen Planung und Realität aus? Und welches Risiko genau macht der Batteriebetrieb aus. Was man findet scheint alles nur so pi mal daumen zu sein. Das ist vielleicht auch ok, aber dann sollte man auch einen relativ grossen Spielraum einrechnen.
  • Warum hat die Stadt eigentlich keine eigene Risikoanalyse erstellt? Und warum wurde der Finanzplan nach Veröffentlichung des IHK-Gutachtens nicht angepasst? Sollte dort nicht zumindest die schlechteste Variante ebenfalls beschrieben sein?
  • Warum gibt es keine Links zu den relevanten Teilen der Niederschriften des Mobilitätsausschusses und sonstigen Informationen? Eine zentrale Informationssammlung ist meines Erachtens zwingend notwendig.

Und das ist nur ein kleiner Auszug meiner Fragen. Generell scheint mir, dass man den Verantworlichen alle Informationen einzeln aus der Nase ziehen muss und auch dann der Erfolg eher ausbleibt. Hier muss man langsam mal lernen, dass es gut wäre, proaktiv und umfassend zu informieren und vor allem den Bürger nicht für unmündig zu erklären.

Was insgesamt für mich daraus folgt ist wieder ein Gefühl mangelnder Professionalität. Ich will genau wissen, wie Zahlen berechnet wurden, will sie selbst nachrechnen können. Ich will zudem sicher sein, dass auch Transparenz herrscht, wenn mal etwas schief läuft. Wenn schon jetzt, wo vielleicht noch alles gut ist, so schlecht informiert wird, wie sieht es dann erst aus, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert?

Finanzierung?

Bei der Finanzierung ist es dasselbe. Wie es eigentlich finanziert werden soll, wurde eigentlich nie diskutiert, bis auf einmal der Fond der deutschen Einheit aus dem Hut gezaubert wurde. Hat man sich zu Beginn keine Gedanken dazu gemacht? Aber selbst ohne diesen sei es aus dem Haushalt zu finanzieren. Allein, wo man denn dann genau einsparen würde, das sagt keiner. Wieso nicht? Man kann doch durchaus mal darlegen, wo man heute einsparen würde, wenn es heute eine Campusbahn gäbe. Dann kann man zumindest mal abwägen.

Alternativen?

Wo genau sind die Alternativen? Es wurden diese zwar für die Anbindung Campus-Bushof geprüft, für den Bereich nach Brand allerdings nicht. Was also ist der Plan B, wenn es nicht klappt? Wieso diese Versteifung auf eine Möglichkeit? Das ist ein Problem, was schon bei S21 auftrat, auch dort wäre ggf. ein K21 besser gewesen, ist aber inzwischen unrealistisch, da man es von Anfang an nicht parallel geprüft hat. Großprojekte ohne Prüfung der Alternativen sollten meiner Meinung nach eh nicht genehmigt werden.

Propaganda

Der letzte Grund für mein Nein ist die aktuell vorherrschende Propaganda. Die Plakate sind zwar schon problematisch genug, aber was im Netz z.B. mit dem Quiz oder campusbahn-Account auf Facebook abgeht, ist eher unterirdisch. Man hat das Gefühl, dass da Fanatiker am Werk sind, die zudem nicht einmal sagen, wer sie sind (Social-Media-Transparenz hat wohl dort noch nie jemand gehört). Beispiel:

Ohne Impulse wie die Bahn, so die Gegenthese, wird es in Aachen keine Wachstum geben, auch keine Stagnation, sondern Rückgang. Dann beginnt genau der Teufelskreis, der der Grund dafür ist, dass heute viele Städte sich nicht mehr finanzieren können

Hallo? Es geht nur um eine Straßenbahn.

Auch zu den fehlenden Alternativen hat man das ollste Totschlagargument der Welt parat:

Eine Frage. Hat irgendjemand von den Gegner einmal einen Alternativvorschlag gehört?

Wieso ist dies Aufgabe der Gegner? Es ist Aufgabe der Stadt, die beste Lösung zu finden und sich nicht vorzeitig auf eine festzulegen. Nur weil es keinen Gegenvorschlag gibt, heisst zudem nicht automatisch, dass es ein super Projekt ist.

Der hier vorherrschende Fanatismus hinterlässt daher für mich ebenfalls ein eher schlechtes Gefühl und ist vor allem auch höchst unprofessionell. Ich will, dass dieses Projekt von vernünftigen Menschen (die auch sagen, wer sie sind) durchgeführt wird und nicht von irgendwelchen Fanatikern ohne Namen. Vom Betreiber des Informationsportals erwarte ich Neutralität und keine Missionierung. Das ist ausserdem umso problematischer, da man nicht weiss, wer dort eigentlich genau postet. Transparenz also auch hier (und auch auf der Homepage selbst) wieder Fehlanzeige.

Fazit

Das Projekt von einer technischen Sicht ist wahrscheinlich gut (auch hier fehlen viele Informationen), bei der Durchführung habe ich aber aufgrund der vorherrschenden Intransparenz, einer fehlenden Risikoanalyse von Seiten der Stadt und wechselnden Argumentation meine Zweifel. Auch die fehlende Prüfung von Alternativen für den Bereich nach Brand raus ist mir ein Dorn im Auge. Vor allem im Hinblick darauf, dass es mit dem Campus (was ich so höre) eher schleppend läuft, wäre es ja vielleicht auch eine Möglichkeit, zunächst Brand-Bushof zu bauen.

Mein Fazit also: Weniger Fanatismus und mehr Offenheit wäre gut gewesen und ich hätte vermutlich zugestimmt. So aber bleibt mir nur das Nein.

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