Im Jahre 2020 Aachen ohne Dieselbusse? Wenn es nach den Planern der Stadtbahn, soll dies mit eben dieser Bahn Wirklichkeit werden. Aber nur, wenn wir uns beeilen, denn die Fördergelder laufen aus.
So ungefähr die Kurzfassung der gestrigen Vorstellung des Projekts „Campusbahn“ im Aachener Rathaus, was damit sozusagen auch der Startschuss der Diskussion war.
Im folgenden versuche ich daher mal den Vortrag von Adolf Müller-Hellmann vom Förderkreis des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen zusammenzufassen, da er leider zunächst mit Design und auslaufenden Fördermitteln begann, anstatt zunächst einmal zu sagen, warum man denn eigentlich eine Stadtbahn braucht.
Das Problem
Das Hauptproblem ist laut Müller-Hellmann und ASEAG-Chef Michael Carmincke, dass das Bussystem in Aachen an seine Grenzen kommt, vor allem auf der Hauptverkehrstrasse Trierer Strasse/Adalbertsteinweg. So würden dort im Moment 30.000 Fahrgäste pro Tag und Richtung verkehren, bis zum Jahr 2020 soll dies aber auf 38.200 ansteigen aufgrund von steigenden Einwohnerzahlen und Studierenden.
Hier aber kommt das Bussystem an seine Grenzen, wie Carmincke anhand einer Grafik versucht hat, zu verdeutlichen. Ein Bus hat eben nur eine begrenzte Anzahl an Sitzplätzen und kann nicht einfach bei Bedarf verlängert werden. Die einzige Alternative wäre eine noch engere Taktung als die 3-5 Minuten, die es heute sind. Dann aber müsse man auch die Personalkosten einrechnen.
Multi-Modalität
Wenn man nicht mehr nur PKW fährt, sondern eher flexibel ist, man also mal Bus, mal Fahrrad nutzt und auch mal ein Auto leiht und das mit fliessenden Übergängen, dann nennt man das Multimodalität. Und gerade bei den Studieren sähen wir, dass diese nicht mehr so auf das Auto fokussiert seien, sondern durchaus auch mal wechselten. Diesen Trend müsse man im Auge behalten und das Ziel muss deswegen laut AVV-Chef Hans-Joachim Sistenich sein, ein durchgängiges Mobilitätkonzept zu entwickeln, bei dem Bus, Stadtbahn, Auto, Fahrrad und Bahn sinnvoll miteinander verknüpft werden.
Herr Sistenich skizzierte dazu eine Zukunftsvision an die Wand, die ein integriertes Ticketsystem vorsah, wo man sich schon im ÖPNV zum Parkplatz über sein Ticket ein geladenes Elektroauto reservieren konnte. Alle Teile sollen also ineindergreifen.
Die Lösung also: Campusbahn
Ergo braucht man eine Alternative zum jetzigen System und diese sei die genannte Campusbahn. Müller-Hellmann und Kollegen nannten vielerlei Gründe für solch eine Bahn:
- Moderne Stadtbahnen sind flexibel, sie können von der Kapazität her sowohl in Richtung Strassenbahn als auch Richtung U-Bahn hin angepasst werden. Daher Lösung des Kapazitätsproblems. Wo der Bus pro Stunde und Richtung nur 1000-2000 Menschen befördern kann, sind bei der Campusbahn bis zu 5000 Menschen geplant.
- Moderne Stadtbahnen sehen gut aus. Er zeigt diverse Beispiele aus Frankreich, die seit 1980 wohl ca. 25 neue Bahnen gebaut haben. Deren Motto sei „Design oder nicht sein“ und das soll auch in Aachen das Ziel sein.
- Lösung des Multimodalitätsproblems durch Innovationen in Elektromobilität, Speichertechnologien usw. (dazu unten mehr).
- Fördermöglichkeiten im Bereich Elektromobilität
- Fördermöglichkeiten per Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG), das aber Ende 2019 ausläuft
- Image-Gewinn für Stadt und RWTH
Die Planung sieht dabei zunächst eine Strecke zwischen dem neuen Campus und Brand vor, eine zweite Strecke kann diese dann in Zukunft kreuzen.
Innovationen
In Aachen soll aber nicht nur einfach eine Bahn gebaut werden. Es sollen zudem ganz viele Innovationen, die teilweise weltweit einmalig wären, umgesetzt werden:
- Elektrobusse könnten die Oberleitungen mit benutzen, aber auch z.B. in Wohngebiete ausscheren, und dort per Batterie fahren, um später dann wieder auf die Oberleitungstrasse zurückzukommen.
- Innerstädtisch (Die Grenzen wären Aachen West und Kaiserplatz) soll die Bahn oberleitungsfrei, also per Batterie fahren. Das Stadtbild bleibt also von Masten verschont.
Wichtiger aber noch sind die sogenannten Unterwerke. Diese sind nötig, um den Drehstrom der STAWAG in die für die Stadtbahn benötigte Gleichspannung von 900V umzuwandeln. Genauer gesagt sind im Verlauf der Strecke wohl 7 solcher Unterwerke notwendig.
Die Idee ist aber nun, diese Unterwerke nicht nur für die Bahn zu nutzen, sondern diese auch im Kontext von Elektromobilität zu verwenden. Dazu werden diese auf Parkplätzen gebaut und es werden zudem noch Ladestationen für Pedelecs, Elektroautos, aber auch Elektrobusse angebaut. Der Vorteil wäre also ein großer Schub für das Thema Elektromobilität in Aachen.
In Zusammenhang dazu wurde auch eine Batterientauschanlage für Busse gezeigt, die in nur 4 Minuten (neuerdings wohl auch 2 Minuten) die 1 Tonne wiegenden Batterien eines Elektrobusses austauschen kann. Auch dies soll dann wohl bei den Unterwerken auf dem Parkplatz passieren. Die Größe eines solchen Werkes sei im übrigen Containergröße, erklärte Müller-Hellmann.
Kosten
Das Wichtigste fehlt natürlich noch: Die Kosten. Hier wurde leider nicht so wirklich ins Detail gegangen und das Thema auch eher flott behandelt. Man sah kurz eine Liste von Zahlen, die aber schnell wieder verschwand. Laut den vorliegenden Berechnungen ergäbe sich aber wohl für Aachen ein jährlicher Finanzbedarf von 4-6,5 Mio. Euro.
Was genau jetzt wie gerechnet wurde, erfuhr man leider nicht. Wie später aus Ratskreisen zu vernehmen war, habe man aber durchaus konservativ gerechnet und z.B. für das Depot, wenn ich mich recht erinnere, nicht nur 9 Mio. veranschlagt, was wohl realistisch wäre, sondern 25 Mio. Diese Berechnungen und wie viel Puffer man nun wirklich eingerechnet hat, sollte daher unbedingt noch veröffentlicht werden.
Vieles kann dabei durch Fördermittel finanziert werden, aber nur, wenn man schnell genug ist. So läuft die Förderung durch das GVGF ja 2019 aus, d.h. die Projekt müssen bis dahin auch fertig werden.
Einen weiteren Topf von 180 Mio EUR für 3-5 Projekte gibt es im Bereich Elektromobilität vom Bund mit einer Laufzeit von 3 Jahren und Beginn wahrscheinlich 2013. 3 Projekt sind allerdings schon vergeben, eines soll laut dem Land NRW aber die Campusbahn werden, da es exemplarisch für die Welt sei. Einsendeschluss ist Montag 23:59 und man sei daher fleissig dabei, den Antrag zu schreiben, da alle Bedingungen wohl erfüllt sind.
Alternativen? Zeitdruck?
Während sich das Projekt durchaus interessant anhört und gut aussieht, stellt sich dennoch die Frage, welche Alternativen man denn untersucht hat. Oder war schon vorneweg klar: Wir wollen eine Stadtbahn und schauen uns auch gar nichts anderes mehr an?
Ist also die Stadtbahn – wie so vieles dieser Tage – alternativlos? Hinzu kommt, dass ja durchaus Zeitdruck herrscht. Der OB will eine Entscheidung nach den Sommerferien und die Entscheidung, ob man eine detaillierte Umsetzungsanalyse in Auftrag gibt und einen Antrag für das GVFG stellt, muss schon im Februar erfolgen. Nicht zu vergessen ist, dass das Projekt bis Ende 2019 fertig sein muss, will man die GVFG-Förderung erhalten.
Hier hätte man also durchaus auch früher an die Öffentlichkeit gehen können, selbst wenn noch nicht alle Informationen beisammen sind. Hier sollte sich Politik auf lange Sicht ändern und nicht nur fertig durchgestylte Projekte mit PR-Begleitung vorstellen. Der Bürger sollte schon mit Ideenfindung eingebunden werden.
Partnerschaft mit dem Bürger
Apropos Bürger. Laut OB wird das Projekt „Campusbahn“ durchaus als Partnerschaft mit dem Bürger gesehen. Die Bürger Aachens sollen Lust auf das Projekt bekommen, sie sollen dahinterstehen. Daher hat man sich grosse Transparenz auf die Fahne geschrieben und deswegen auch die Website www.campusbahn.de eingerichtet, wo angeblich alle Informationen zu finden sein sollen.
Dem ist allerdings bei weitem noch nicht so. Zur Finanzierung stehen z.B. nur ein paar Zahlen dort, ohne weitere Erklärung, wie die sich herleiten und von welchen Annahmen man ausgegangen ist. Beim Konzept sieht es ähnlich aus und auch die bei der Vorstellung gezeigten Präsentationen sind leider nicht online.
Information noch eher mau
Hier also muss nachgebessert werden, will man die Bürger wirklich hinter dem Konzept versammeln. Hier sollte man sich auch nicht scheuen, ruhig mal die getätigten Gutachten und auch technischen Unterlagen sowie die standardisierte Bewertung zu veröffentlichen. Ich persönlich hätte lieber unaufbereitete Informationen, eine einfachere Aufbereitung/Zusammenfassung kann man ja optional auch noch anbieten.
Spontan fallen mir die folgenden Dinge ein, die mich interessieren:
- Durchsatz Busverkehr heute in detaillierten Zahlen im relevanten Bereich.
- Prognose der Beförderungszahlen für 2020 und deren Herleitung.
- Herleitung der Erhöhung der Bevölkerung und Studentenzahlen.
- Wie kam es zur Festlegung der Einstiegsstrecke?
- Viel mehr Details zu den Unterwerken. Wieso braucht man 7? Wo können die stehen? Was leisten diese?
- Prognose der Entwicklung der Elektromobilität in Aachen.
- Alles zur Finanzierung: Was genau muss bezahlt werden, wie hoch schätzt man die Kosten ein und warum? Wie konservativ hat man gerechnet? Wieviel Luft ist drin im Plan?
- Was passiert, wenn man nicht bis 2019 fertig wird? Was passiert, wenn das Geld ausgeht? Welche Förderungen sind sicher, welche nicht, wann genau weiss man dies?
- Kann Aachen das auf Dauer stemmen?
- Welche Fahrzeuge sollen genutzt werden? Welche Möglichkeiten gibt es?
- Wieviele Elektrobusse sollen eingesetzt werden in welchem Zeitrahmen?
- Wird der Bürger irgendwie irgendwo beteiligt?
Ich gehe davon aus, dass viele der Informationen den Projektbeteiligten vorliegen. Von daher könnte, nein sollte, man sie auch veröffentlichen. Denn gerade im Bereich Finanzen ist Aachen mit Tivoli und Co. ein gebranntes Kind. Wenn man die Bürger wirklich hinter sich versammeln will, dann muss hier absolute Klarheit herrschen!