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Eine Antwort auf Eric Kintz‘ 10 Hauptgründe, warum er vom Marketing in Second Life noch nicht

Relay For Life
Über Rivva habe ich einen Post auf dem Basic Thinking Blog gefunden, der wiederum auf einen Artikel im Blog von Eric Kintz verweist, indem er 10 Top Gründe dafür auflistet, warum er vom Marketingpotential in Second Life noch nicht überzeugt ist (jaja, der Weg zu einem Artikel ist manchmal etwas weit ;-).

Ich will hier diese Gründe kurz auflisten und auch kommentieren.

1. „Die Technologie ist immer noch zu komplex, ein durchschnittlicher Benutzer braucht zu lange, bis er komfortabel navigieren, teleportieren oder fliegen kann“

Da ist natürlich etwas Wahres dran, aber Second Life ist nunmal verglichen mit anderen System auch ein recht komplexes System. Man kann z.B. in Kaneva sehr einfach einen Raum gestalten, aber dieser hat dann doch eben die Anmutung eines Hotelzimmers. Allerdings spricht Eric ja hier von den Basics, wie Navigation usw. und daher sind Vereinfachungen natürlich notwendig und vielleicht hat ja auch Raph Koster recht, wenn er sagt, dass die Einführung vielleicht mehr wie ein Spiel gestaltet werden muss (also mit Story). Und natürlich ist Linden Lab dieser Umstand ebenfalls bewusst und ein erster Schritt in die richtige Richtung ist sicherich das neue Orientation Island, welches vor kurzem startete und die Einstellung eines Usability Experten, den ich vor 3 Wochen in San Francisco treffen durfte und der auch an Lösungen arbeitet (nur ist das alles ja ein weites Feld).

2. „Das Modell ist noch nicht skalierbar – Second life kann nur bis zu 100 Personen an einem Ort zu einem Zeitpunkt verwalten, nicht gerade eine aufregende Statistik für eine grosse Marke“

Das stimmt natürlich auch und liegt in der Tatsache begründet, dass eben alles vom Server gestreamt wird und kein Content von der Platte kommt (wie bei anderen Online-Welten). Wie aber Babbage und Zero Linden bei ihrer letzten Office Hour erzählten, besteht der Plan, den Server mit den Erfahrungen, die man bislang gemacht hat, umzuschreiben (nicht neu! nur um!) und damit hoffentlich auch die Skalierbarkeit zu erhöhen. Das ist nur sicherlich noch Zukunftsmusik.
Aber es gibt auch Wege, dieses Problem zu umgehen, wie es z.B. hauptsächlich The Electric Sheep Company zu manchen Anlässen gezeigt hat. Einerseits kann man einen Event simultan auf mehreren Sims gleichzeitig veranstalten oder aber einen Live-Videofeed an ausgesuchte Orte in Second Life streamen lassen. Einer dieser Orte war bei der Dean Koontz-Lesung z.B. The Shelter, ein zumindest in der internationalen Community recht bekannter Ort, der so als Verteiler genutzt wurde.

Die andere Frage ist, wie man Marketing in Second Life versteht. Wenn man hingeht und sich denkt, man macht es im Prinzip wie im Real Life, dann denke ich, geht man fehl. Mit einem Ansatz im Bereich Neuer Medien macht dies alles mehr Sinn, denn im Prinzip geht es bei Second Life ja auch hauptsächlich um Konversation und eben diese vermisse ich bei den bestehenden Marken meist. Wenn man diesen Weg einschlägt, ist es vielleicht auch gar nicht notwendig, dass man 1000 Leute in Second Life versammelt. Man kann mit ihnen in kleinen Gruppen diskutieren, die Ergebnisse wieder in Blogs oder Podcasts aufarbeiten und diese dort gemachten Kommentare dann wieder in Second Life zurückspeisen. Genau dies ist es ja auch, was Linden Lab selbst im Moment versucht, um mit ihren Bewohnern in Kontakt zu bleiben.

3. „Die Registerierungszahlen sind irreführend – mein Kollege Scott Berg hat eine interessante Statistik: Wenn man Abonnenten online an einem bestimmten Zeitpunk und Quadratmeilenbereich misst, dann beträgt Second Life’s Dichte 23.000 pro Quadratmeile, verglichen mit 143.000 für Manhatten. Ausser an ein paar Plätzen wird man nur sehr wenige Personen in Second Life treffen. „

Auch das stimmt, ist aber nur wichtig im Rahmen des traditionellen Marketings. Der Vergleich mit Manhatten hinkt meines Erachtens auch, denn in Second Life kann man recht schnell vom einen Ende der Welt zur anderen springen, es kommt also nicht unbedingt auf die Dichte an. Es kommt vielmehr auf eine sinnige Strategie an, die, wie schon gesagt, im Bereich des sozialen Netzwerks liegen sollte. Es gibt eben die wenigen Plätze, wo man viele Leute trifft, aber die Betreiber dieser Plätze tun auch etwas dafür, was die Marken in Second Life bislang eher selten machen (aber Motorati Island, das von Millions of Us betreut wird, ist ein Gegenbeispiel hierfür).
Man muss dazu natürlich auch berücksichtigen, dass man nicht wirklich in Second Life lebt. Man hat sein Häuschen ja doch meist nur, weil es Spaß macht, eines zu besitzen und um evtl. einen Rückzugspunkt für Freunde oder Beziehung zu haben.

4. „Die Skalierbarkeit des Modells ist weiterhin von einer unternehmerischen Gegenbewegung bedroht“

Er meint hier, dass viele Unternehmen Second Life in ihren Büros blockieren werden, da sie Sicherheitsrisiken und Verlust von Arbeitszeit fürchten. Und dies mag in der Tat geschehen, soweit man nicht eine Unternehmenskultur hat, die das auf andere Weise regeln kann. Es ist hier aber die Frage, ob denn die Hauptansprechpartner des Marketings in den Firmen während der Arbeitszeit zu finden sind, oder nicht doch eher abends daheim vor dem eigenen Rechner.
Und auf lange Sicht sehe ich diese Blockierung auch nicht, denn virtuelle Welten werden mehr und mehr zu einem Teil des Internets und damit der täglichen Arbeit werden, so dass sie ab einem bestimmten Punkt unverzichtbar sind (z.B. für virtuelle Meetings oder ähnliches). Dies ist alles natürlich noch etwas weiter in der Zukunft, aber wird meines Erachtens sicherlich kommen.

5. „Der Inhalt ist hauptsächlich an Erwachsene gerichtet – Keine der Top 20 Sites im Web ist erwachsenenorientiert, während es die meisten in Second Life sind. Sind Sie bereit, bei einer virtuellen Pressekonferenz von fliegenden Genitalien attackiert zu werden?“

Da er hier auf das Anshe Chung-Interview verweist, wo es in der Tat solche Dinge gab, lag es doch hauptsächlich daran, dass die Organisatoren des Events nicht genügend Sicherheitsmassnahmen vorgesehen haben. Wenn dies aber geschehen wäre, hätte es auch keine fliegenden Genitalien gegeben.
Der andere Punkt ist fraglich. War nicht Sex die treibende Kraft des Internets? ;-) Aber wie dem auch sei, es kommt hier natürlich einerseits darauf an, wie man die Statistik betreibt (wie findet man denn die Top 20 Sites? Und was ist mit dem Long Tail?) und andererseits gibt es auch in Second Life genügend Bereiche, wo es nicht um Sex geht (in meiner Erfahrung war es auch nicht so, dass ich andauernd nur über Sex-Angebote gestolpert wäre).

6. „Marken unterschätzen die Investition, die benötigt wird.“

Er legt hier dar, dass die meisten Marken sich nur für die Anfangskosten wie Land, schönes Gebäude usw. interessieren und dabei übersehen, dass ein erfolgreicher Auftritt in Second Life nur durch eine andauernde Investition in Form von Personal, Events usw. gewährleistet werden kann.
Hier frage ich mich, wovon er nicht überzeugt ist: Davon dass es bislang noch kein gutes Marketing in Second Life gibt oder dass es nicht möglich sei. Ich nehme mal ersteres an und dann hat er natürlich recht. Und aus eigener Erfahrung ist es schwierig, Firmen davon zu überzeugen, ein längeres Engagement zu planen und zu finanzieren. Wobei man aber auch sagen muss, dass es so teuer eigentlich gar nicht sein muss. Manchmal sind lustige Gimmicks viel teurer, kommen aber selten beim Publikum an (ausser dem ersten Wow, danach schaut man es meist nicht wieder an, geschweige denn kommt man wieder). Generell gilt hier sicher, dass sich eine Einmalinvestition nicht lohnt.

7. „Marken decken sich nicht mit den wahren Werten von Second Life, welches von Fantasien handelt und was es ermöglicht, jemand anders als im Real Life zu sein.“

Eric sieht hier ein Problem darin, dass die meisten Marken sich natürlich als Real Life-Marke präsentieren, was sollen sie auch anderes machen ;-)
Aber ich sehe hier ehrlich gesagt nicht das Problem. Die Bewohner Second Life’s kennen ja diese Marken aus ihrem richtigen Leben und eine Chance, näher mit diesen in Beziehung zu treten würde meines Erachtens schon genutzt werden, auch wenn bei Events dann Drachen neben Meerjungfrauen stehen. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass auch das Personal der Marke als Fantasiegeschöpf auftreten muss oder gar die Markenerfahrung in dieser Hinsicht umstrukturiert werden muss.

8. „Second Life Erfahrungen sind nicht in die allgemeine Markenerfahrung integriert. Neue Second Life-Unternehmungen fühlen sich noch zu sehr nach PR-Coups an und nicht nach wahrer Integration in die breite Palette von Markenversprechungen und -erfahrungen.“

Hier ist in der Tat sicher noch ein Weg zu gehen, was die Integration betrifft und ausserdem denke ich auch, dass sich viele Unternehmen dazu noch etwas wandeln müssen. Hier gilt im Prinzip das oben Gesagte zur Kommunikation. Es kommt hier darauf an, die Story rüberzubringen und dafür braucht es aber noch ein Umdenken bei den Firmen.

9. „Potentielle Gewinne sind limitiert.“

Natürlich bringt eine Präsenz, die in Second Life etwas verkaufen will, es nicht. Es kann also hauptsächlich nur vom Marketingaspekt gesprochen werden. Und da ist Second Life noch etwas klein in Bezug auf die Nutzerzahlen. Aber im Moment zumindest ist das Wachstum gross und ich denke auch, wer heute schon Strategien in diesen neuen Welten (und nochmals Neue Medien) entwickelt und erprobt, der wird es morgen leichter haben. Und dann sieht das mit den Gewinnen ja auch vielleicht schon ganz anders aus.

10. „Ich habe kaum Zeit für mein erstes Leben ….“

Naja, dieses Argument ist ja das übliche, aber war es nicht auch früher so mit E-Mail, Web usw. Für mich ist Second Life auch kein wirkliches zweites Leben, sondern nur eine Erweiterung des ersten, wie es auch Blogs, IRC, IM oder Konferenzen sind. Es geht um Kommunikation. Und da ich mich mit meinen Freunden in San Francisco nicht so einfach in RL treffen kann, ist es ja auch schön, dies in Second Life zu tun :-) Andererseits ist es natürlich auch schön, über diese Medien soviele Leute kennenzulernen, die man eventuell dann sogar mal persönlich trifft. Das macht für mich doch auch mit den Reiz aus.

Fazit

Diese 10 Punkte spiegeln natürlich mehr wieder, warum Eric noch keine guten Auftritte in Second Life sieht und nicht so sehr, warum es nicht möglich wäre. Und in der Tat hat er mit vielem Recht. Zum einen sind Firmen noch nicht soweit, dass sie die wahren Potentiale von Second Life sehen, andererseits muss aber auch ncoh viel an Technik und Prozessen gearbeitet werden (was aber im Gange ist). Wenn aber bei den Unternehmen ein Umdenken stattgefunden hat und sich Second Life (oder von mir aus auch eine andere Welt) soweit behaupten kann, dann wird man auch gutes Marketing in diesen Welten sehen. Es war ja alles an sich ähnlich, als die Marketingstrategen von damals das Web entdeckten. Da war ja uns allen noch nicht so ganz klar, was es bedeutet und wie man es sinnvoll nutzt. Das hat sich geändert und dies wird sich wohl auch mit virtuellen Welten bald ändern. Bis dahin bleiben Experimente, um dies herauszufinden.

PS: Gutes Marketing wurde aber z.B. vom Team des Relay For Life gemacht (davon auch das Foto oben), die für ihre Krebsforschung-Sammelaktion über US$ 40.000 eingenommen haben. Meine englischen Blogposts dazu findet man hier, hier und hier. Dies war eine Aktion ohne grosses Budget, grossteils nur durch Kommunikation unter den Bewohnern von Second Life beworben, dazu Blogs und regelmässige Events.

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