Am vergangenen Freitag hat die Grünen-Fraktion im Düsseldorfer Landtag eine Veranstaltung zur Netzpolitik mit dem Titel „Damit die Bürgerrechte nicht vom Netz gehen“ organisiert.
Das Ziel war die Information und eine Diskussion über das Thema. Letzteres jedoch war leider eher Mangelware, was wohl an dem etwas zu vollgepackten Programm lag.
Grüne Netzpolitk
Es begann mit einer Einführung in die grüne Netzpolitik durch Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann und Malte Spitz, Mitglied des Grünen-Bundesverstands. Die generelle Einführung hätte für das anscheinend gut informierte Publikum wohl nicht sein müssen, allerdings ist klar, dass man solch eine Veranstaltung auch für Eigenwerbung nutzt.
So wurden u.a. die folgenden Kernpunkte grüner Netzpolitik genannt:
- Kulturflatrate als Antwort auf die Urheberrechtsproblematik
- Gesetzliche Vorgabe der Netzneutralität (Gleichbehandlung von Daten)
- Bürgerrechte ins digitale Zeitalter übertragen (keine Netzsperren, VDS, Online-Durchsuchungen)
- Offene Schnittstellen in Verwaltung und Parlamenten (Bsp. ARD/ZDF, Parlamentsdokumente usw.)
- Datenschutz modernisieren (unabh. Datenschutzzentren, Datenschutz ins Grundgesetz, Arbeitnehmerdatenschutz)
- Medienkompetenz und Breitbandzugang für alle. Lebenslanges Lernen realisieren, kein reiner Schulfokus
- Probleme müssen gesellschaftlich geregelt werden, rein staatliche Kontrolle ist nicht die Lösung. Selbstdefinierte Regeln wie aus Usenet-Zeit könnten Möglichkeit sein (Netiquette).
Urheberrecht und Kulturflatrate
- Internet ist das Hilfsmittel zu Enteignung von Urhebern und Verwertern
- Das Urheberrecht verhindert Kreativität und macht eine ganze Generation zu Kriminellen
Diese zeigen vor allem, dass wir uns im Spannungsfeld der Urheber- und Eigentumsinteressen und dem Recht auf Informationsfreiheit befinden. Auch speiel das Recht auf Nutzung und Sozialbindung des Eigentums (GG Art. 14) hinein.
Er erklärte dann, was genau das Urheberrecht ist, wo seine Schranken liegen und ging auch auf Verwertungsrechte und ähnliches ein.
Er listete dann ein paar Ansätze auf, wie Werke dem Nutzer zugänglich gemacht werden können.
- Bei Open Content, also Markierung als „Public Domain“ oder „Freeware“ gibt es den Vorteil, dass man die Nutzungsbedingungen relativ leicht durch standardisierte Lizenzbedingungen definieren kann. Man hat aber den Nachteil, dass eine AGB-Kontrolle bei Verbraucherverträgen zur Unwirksamkeit einzelner Regelungen führen kann.
- Bei Creative Commons (CC) hat man ebenfalls den Vorteil der standardisierten Lizenden, die zudem modular sind. Aber dafür definiet CC zunächst keine Vergütung des Urhebers und es ging ja bei der Veranstaltung um den gerechten Ausgleich zwischen Urhebern und Verwertern. Er meinte „Wer würde Künstler oder Musiker werden, wenn er nicht die Chance hat, dabei reich zu werden?“ (Anmerkung: Da würde mich eine Studie zu interessieren)
- Im Bereich Digital Rights Management (DRM) hat man wiederum das Problem der Akzeptanz durch Inkompatibilitäten. Ausserdem verträgt es sich nicht unbedingt mit dem Recht auf Privatkopie und wenn man das nicht hinbekommt, hat man einen Sachmangel.
Zum Schluss ging er dann noch auf das Lieblingskind der Grünen, die Kulturflatrate, ein. Leider nannte er neben den Vorteilen vor allem viele Nachteile bzw. ungelöste Probleme.
Die Vorteile seien
- die Entkriminialisierung der User und
- Vergütung von Urhebern und Verwertern auch im Zeitalter des Internets
Bei den Nachteilen nannte er aber auch viele, die ich auch schon auf der Bahnfahrt zu der Veranstaltung aufschrieb und demnächst noch posten werde:
- Urheberrecht müsste geändert werden, national und international. Das ist schwierig. Es gibt zwar ein Gutachten, das besagt, dass es möglich wäre, aber man könne es auch mit guten Argumenten anders vertreten.
- Markt wie iTunes usw, der schon existiert, würde dann ja kaputtgemacht werden. Damit kommt man nicht über Stufe 2 des Drei-Stufen-Test hinaus. Aber man könne hier auch anderer Meinung sein
- Egalisierung von Qualität durch gleichen Preis für den User. Derzeit entscheidet man sich ja explizit für ein qualitatitiv hochwertigeres Werk und bezahlt dafür auch mehr. Das wäre dann nicht mehr der Fall
- Gesamtsumme der Erlöse ist gedeckelt. Die bleiben also gleich. Ein besonders erfolgreiches Werk kann also nicht theoretisch unbegrenzte Erlöse erzielen.
- Verteilungsquote ist (auch jetzt nicht) missbrauchsanfällig. Programmierer würden ganz flott Downloads simulieren können.
- Rundfunk-Gebühr bereits sehr umstritten – ein weiterer „Abnahmezwang“ würde nicht gut aufgenommen werde.
- Wohl auch starke Auswirkungen auf bestehende Lizenz-Modelle (z.B. iTunes) und den Offline-Bereich. Wer würde sich denn offline noch was kaufen, wenn wirklich alles umsonst wäre.
- Länder mit Kulturflatrate müssten letztendlich auch für Länder ohne Kulturflatrate aufkommen.
Während er die Idee der Flatrate an sich begrüsste, sah er aber dennoch in all diesen Nachteilen ein Hindernis und hatte spontan auch keine Lösungsmöglichkeiten anzubieten.
Der ihm nachfolgende Redner Volker Beck (MdB, Grüne) verteidigte die Flatrate und erklärte, dass man den Missbrauch durchaus durch technische oder rechtliche Maßnahmen einschränken könne, welche genau, ließ er jedoch offen. Er bekräftigte allerdings auch, dass Werke nicht bewertet werden sollen, Pornos also gleichermassen eine Ausschüttung bekämen wie E-Musik. Man müsse jedoch unterschiedliche Maßstäbe an die Höhe der Ausschüttung bezogen auf den Aufwand machen (irgendwer nannte noch den Unterschied zwischen einem Gitarrenstück, das man mal eben im Wohnzimmer einspielte und einer Orchesteraufnahme, an der man ein dreiviertel Jahr arbeitet).
Florian Kuhlmann, Künstler und Netzaktivist aus Düsseldorf, war in einem gewissen Zwiespalt, denn einerseits will er ja für sein Schaffen auch Geld bekommen, andererseits will er aber auch keine Überwachung. So sah auch er die Kulturflatrate an sich als gute Idee an, sah aber beim Datenschutz ein Problem. Er merkte auch noch an, dass ja Medien heutzutage nicht nur online, sondern auch per USB-Sticks oder Festplatten getauscht würden.
Eine Alternative zur Kulturflatrate?
Danach stellte der Labelchef Stefan Herwig, seine Alternative zur Kulturflatrate vor. Er gab zunächst das Beispiel Presse, die auf die von der Netzgemeinde vorgeschlagenen Lösung des freien Inhalts mit Werbung setzen würden, davon aber nicht überleben könnten. Er fragte dann ob man Urheberrecht im Internet noch durchsetzen könne und ob denn schon alles versucht worden sei.So hat man z.B. zur Zeit auch das Problem der Abwanderung zu One-Click-Hostern, wodurch das Instrument der Abmahnung nicht mehr wirkt.
Wie Christian Sommer von der GVU bei einer ähnlichen Veranstaltung nannte auch er den Jugendschutz als einen der Gründe, warum etwas anderes als die Kulturflatrate her müsse. Medien müssten zu Schrankengütern werden
Er nannte dann die Zahl von 250 Plattformen, die weltweit für 98% aller Urheberrechtsverletzungen verantwortlich seien, darunter One-Click-Hoster, P2P-Plattformen und andere. Diese geben ihren Nutzern die Möglichkeit, Schrankengüter zu sharen. Dazu nehmen sie aber keine Verantwortung auf. Er fragte, wie kann man diese Plattformen zu einem legalen Handel bewegen und z.B. auch anonyme Nutzung unterbinden könne. Die Lösung wäre nach ihm daher die Schliessung solcher Plattformen, wenn dies nicht geschieht.
Diskussion
In der Diskussion wurde dann noch die Frage nach der genauen Definition der Kulturflatrate gefragt. So war unklar, ob denn nicht eher eine pauschale Vergütung gemeint war, die eben nicht nach Downloadmenge und damit ohne Datenproblematik dahergeht. Dies ist aber natürlich problematisch, wenn die Ausschüttung irgendwie gerecht sein soll. Damit würden dann wieder etablierte Künstler eher bevorzugt werden als kleine.
Es wurde auch angesprochen, dass doch die Musikindustrie selbst an ihrer Lage Schuld sei. So gäbe es ausser iTunes keine wirklich einfache Methode an Musik zu kommen. Die Musikindustrie habe einfach gepennt. Dazu gab es dann auch spontan Applaus.
Ein weiterer Gast sprach Darknets an, in die Nutzer dann abwandern würden und ein weiterer fragte sich, wie man denn dezentrales P2P-Sharing unterbinden wolle. Stefan Herwig gab zu, dass dies schwierig, aber nicht unmöglich sei.
Ein Komponist aus dem Publikum bemerkte, dass auf dem Podium kein Urheber sitzen würde, obwohl Florian Kuhlmann ja dort sass und auch bei der Veranstaltung in Köln ein Künstler anwesend war.
Insgesamt aber, wie schon gesagt, eine eigentlich zu kurze Diskussion. Auch hat man natürlich das Problem, dass die Vorschläge und Studien immer von der jeweiligen Lobby gefärbt sind. Ein Brainstorming wäre aber trotzdem mal interessant, ebenso eine Info-Veranstaltung dazu, wie die Musikindustrie und alles drumrum eigentlich im Moment aufgebaut ist.
Regulierung im Internetzeitalter
Einen auch sehr interessanten Vortrag, den Jan Schallaböck hilft, habe ich leider nicht mehr richtig mitgeschrieben. Er begann mit der Geschichte der Regulierungsversuche (vor allem auch Selbstregulierung). So stand am Anfang die Cyberspace Independence Declaration von John Perry Barlow. Dies sei aber überholt, denn Selbstregulierung würde nicht funktioineren. Er widersprach damit auch einer Idee der grünen Netzpolitik-Programms, eben auf Netiquette und ähnliches zu setzen.
Er nannte weitere Selbstregulierungsversuche und natürlich ging es auch auf staatliche Regulierung wie das Zugangserschwerungsgesetz ein.
Eine der wichtigsten Anmerkungen war die, dass man Regulierungversuche immer auch auf technischer Ebene diskutieren muss, da man sonst nicht alle Implikationen begreift (vor allem für die Grundrechte).
Als Beispiel nannte er das Leistungsschutzrecht, wo ihm bislang noch niemand sagen konnte, wie dieses denn technisch umgesetzt werden solle. Die Maßnahmen, die einem spontan einfallen, haben aber leider alle ein Missbrauchs- oder Datenschutzproblem. Ähnliches gilt ja auch für die Kulturflatrate.
Auch machte er klar, dass es absolute Sicherheit nicht geben würde. Insofern seien Firmen wie Google auch genauer zu betrachten, denn diese sammeln ja einiges an Daten über einen User.
Zum Schluss referierte dann noch Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW, über all jene Probleme, mit denen man sich in der Verbraucherzentrale befassen muss. Das beginnt bei Betrugsseiten, die versuchen, ahnungslosen Nutzern Geld abzuluchsen. Die drohen z.B. auchschonmal Eltern, dass ihre Kinder in ein Jugendregister aufgenommen würden, wenn sie nicht dafür zahlen würden, was ihre Kinder angeblich im Internet gekauft hätten. Nur dass es ein solches Register gar nicht gibt.
Es ging weiter mit der Frage, wieviel Medienkompetenz man denn heutzutage im Internet benötigen würde. Er sprach ein Treffen mit den Piraten an, wo die Meinungen dazu wohl weit auseinander gingen.
Bei Social Networks und Datenschutz war er dem Argument, dass der Markt das regeln könne, nicht so positiv gesonnen, denn was nütze der Wechsel zu einem anderen Netzwerk, wenn man dann dort alleine sei. Dies stimmt natürlich und das ist auch der Grund, warum ich beim DataPortability Project mitmache. Damit ich eben mein Netzwerk und meine Daten mitnehmen kann. Leider jedoch scheinen international aufgestellte Projekte in Deutschland eher ignoriert zu werden.
Weiterhin war er natürlich gegen Methoden wie Three-Strikes, denn dies sei ja „die moderne Version der napoleonischen Verbannung„.
Er schloss mit dem Thema Abmahnungen und seine Meinung war, dass man zunächst eine kostenlose Warnung mit Erklärung des Problems bekommen solle.
Insgesamt war dies eine recht interessante Veranstaltung, wenn auch eben zu voll gepackt. Eine Lösung der Urheberrechtsproblems hat sich natürlich nicht ergeben und Monika Düker kündigte auch an, dass daher weitere Veranstaltungen folgen würden.
Wie also schon bei der Kölner Veranstaltung heisst es. The discussion must go on!
Ein weiterer Bericht befindet sich auch bei gulli.