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Der digitale Monolog

Heute berichtet Spiegel Online über die vergeblichen Versuche der Politik, einen Online-Dialog in Gang zu bekommen. Und man kann eigentlich nur zustimmen.

Das Grundproblem ist dabei allerdings nicht die Technik, sondern die Bereitschaft der Institutionen, sich auf so etwas einzulassen. Hinzu kommt, dass man sich dort meist Null mit Internet und den Partizipationsmöglichkeiten auskennt, da die meisten Leute dort weder Twitter- noch Facebookaccount haben und wenn doch, diese nicht selbst bedienen. Die Ahnung, was mit diesen Tools alles möglich wäre, fehlt also.

Man ist natürlich auch viel geübter in den klassischen Veranstaltungsformaten, wie z.B. einer Anhörung. Leider schafft man es dabei aber meist weder, einen Livestream zu organisieren, noch danach ein Protokoll anzufertigen (das man kommentierbar veröffentlicht). Die Ergebnisse verpuffen, so dass man bei jeder Veranstaltung wieder von vorn beginnt. Beim Thema Jugendmedienschutz kann ich das gerade wieder am eigenen Leib erfahren. 4 oder mehr Veranstaltungen in den nächsten 3 Monaten zum gleichen Thema ohne dass der eine was vom anderen weiss.

Auch Zeit spielt natürlich eine Rolle. Wer mit dem Bürger diskutieren will, muss Zeit mitbringen. Wer das nicht kann, sollte es lassen. Man muss Dinge erklären, muss zuhören und antworten. Und die Zeit ist alles eine Frage der Prioritäten. Wenn man online nur als lästiges Beiwerk ansieht, wird das natürlich nichts. Vielleicht mal ne Pressekonferenz ausfallen lassen und stattdessen online diskutieren?

Diese Dinge führen dann meist zu seltsamen Prozessen, hier exemplarisch am Dialog Internet dargestellt:

1. Es werden „Experten“ berufen, die in Unterarbeitsgruppen (UAG) organisiert sind. Diese erstellen ein Word-Dokument, indem die Sprecher einen Text schreiben und die restlichen Mitglieder dann noch kommentieren dürfen. Dies passiert meist als persönliche Mail an die Sprecher, selbst eine Online-Diskussion unter den Mitgliedern einer UAG findet als eher selten statt.

2. Die Ergebnisse werden als Kurzform in einer Art Blog veröffentlich, die der Bürger dann kommentieren darf. Die meisten Experten sehen das allerdings nicht als ihre Aufgabe an, dort mit zu diskutieren, denn die wichtige Arbeit hat man ja schon in der UAG getan. Die Komplettfassung des Arbeitspapiers versteckt man übrigens vorsichtshalber in einem Downloadbereich. Natürlich ist diese dann nicht mehr online kommentierbar, denn es ist ein PDF. Macht aber nichts, die wenigsten Benutzer nämlich finden es überhaupt.

3. Die Ergebnisse der Online-Diskussion werden von einer Agentur zusammengefasst. Das Ergebnis ist wieder ein PDF, das den Teilnehmern der Arbeitsgruppen wieder zur Verfügung gestellt wird. Die Diskussion darüber ist allerdings wieder nicht öffentlich. Ob nun gute Argumente dabei waren und welche man aufnimmt und welche nicht, erfährt man nicht.

Manchmal gibt es auch noch Plenumstreffen, wo die Ergebnisse der einzelnen UAGs vorgestellt werden. Ein Livestream oder eine Online-Diskussionsmöglichkeit dazu fehlt allerdings auch wieder. Ebenso eine Manöverkritik, wie man den Prozess verbessern könnte.

Die Angst

Während man all dies verbessern könnte, ist das Hauptproblem meiner Erfahrung nach aber die Angst vor dem Kontrollverlust. In manch einer UAG habe ich schon einmal angeregt, dass diese doch öffentlich in Form eines Etherpads tagen solle, habe sogar die Word-Dokumente in Etherpads kopiert, um sie dort zu kommentieren. Die Resonanz innerhalb der UAGs war aber meist gleich Null und die Ausreden, warum das nicht geht, sehr vielfältig.

So hiess es einmal, dass man doch erstmal ins Unreine schreiben müsse, damit es nicht im öffentlichen Dialog zerpflückt wird. Ein andermal hatte man angeblich Angst davor, zu viele Vorschläge zu bekommen, die man dann nicht mehr verwalten kann. Auch hätte das Ministerium ja nicht ausdrücklich gesagt, dass man online arbeiten solle (gefragt hat aber wohl auch keiner).

Packt man Fragestellungen dann doch öffentlich, kann es dann auch schonmal vorkommen, dass die UAG vergisst, einen per Skype hinzuzuholen, da man dies vor lauter Arbeit einfach vergessen habe (aber vorher noch anruft, ob man denn Zeit habe, da es so wenig Teilnehmer sind). Ob es wirklich so war, wer weiss das schon?

Solange aber diese Angst vor dem bösen Internet existiert, die sich vielleicht noch mit einem Gefühl des Machtverlustes vermischt, existiert, wird das mit Beteiligung 2.0 wohl nichts. Zudem ist es beim Dialog Internet auch vor allem das BMFSFJ, was versäumt hat, zur Online-Arbeit aufzurufen. Ob man es nicht besser wusste oder nicht wollte, das weiss ich nicht.

Was wichtig wäre

Will man Beteiligung wirklich, braucht man im übrigen auch keine tollen Tools, ein Blog, Etherpad oder Facebook reichen. Wichtig sind dabei 2 Dinge:

1. Es muss Transparenz herrschen. Sitzungen und Unterlagen müssen öffentlich sein. Man muss informiert sein, was passiert und man muss sich zudem über ein Thema ausführlich informieren können. Nur so kann man sinnvoll am Dialog teilhaben.
2. Es muss auf einer Ebene diskutiert werden, nicht verschachtelt online/offline nacheinander. Alle Personen müssen an einem (virtuellen) Tisch sitzen.

Zudem muss der Bürger auch motiviert werden. Er muss das Gefühl haben, dass jemand zuhört und die Argumente auch ernst nimmt und die nicht als Blödsinn aus dem Netz abtut. Wieso sonst sollte man die Zeit opfern da mitzumachen?

Kurz: Wenn man Dialog will, muss man ihn auch führen und nicht führen lassen.

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