Suche
Close this search box.

Der Wähler ist schuld!

The EU elections turnout has been very low, even lower than last time and now everybody is searching for reasons or did so in front of the elections. While one german politician proposes that you have to pay a fine of EUR 50,- for not voting, this seems to be a typical easy politician solution to a problem. What I am trying in this article is to list a few more reasons and ideas on what to change. Nothing new I am afraid but still lacking implementation.

eu-yawning

43,55 Prozent Wahlbeteiligung europaweit, 43,05% in Deutschland. Kein Wunder, dass sich Politiker Gedanken machen (und machen sollten), wie man die Wahlbeteiligung erhöhen könnte.

Interessante Ideen, um dies zu ändern, kommen da auf, so z.B. von Jörn Thießen, der einen Wahlzwang fordert und 50 EUR Strafe vorschlägt. Andere Leute schlagen vielleicht Vernünftigeres vor, wie z.B. Herr Schäuble die Direktwahl des europ. Präsidenten, so es ihn denn irgendwann geben sollte. Oder aber die Direktwahl von europ. Kommissaren, so dass man auch bei der Europawahl denn 2 Stimmen hätte.

Dass es eine geringe Wahlbeteiligung geben würde, war aber ja schon abzusehen und auch die Gründe dafür wurden vor der Wahl schon erforscht, allerdings mit unterschiedlichen Ergebnissen. So hat die FTD direkt mehrere Faktoren ausgemacht. Zum einen wäre der fehlende Gegenkandidat der EU-Sozialisten für Herrn Barroso als Kommissionspräsident. Denn mit zwei Kandidaten, so die FTD, hätte man prima Wahlkampf machen können und dies hätte Wähler mobilisiert. Mit nur einem Kandidaten wäre es in etwa so, als würde Frau Merkel Kanzlerin selbst dann im Amt bleiben, wenn die SPD bei der Bundestagswahl die stärkste Kraft stellen würde.

Die Rolle der Parteien

Zum anderen ist da der Wahlkampf, der recht lustlos daherkam, eigentlich keine Themen hatte und man im Falle der SPD eigentlich nur lernte, dass alle anderen schlechter seien. Wie ich in einem Fernsehbeitrag von der zuständigen Agentur dann hörte, sollte der SPD-Spot Europa „greifbarer machen“. Aha. Auch war alles mehr oder weniger low budget produziert und z.B. die CDU hat es nichtmal geschafft, zu erklären, wer denn ihr Spitzenkandidat sei. Laut FTD wussten dies gerade mal 2% der Befragten.

Auch ging es anscheinend gar nicht wirklich um Europa. So fuhr ich gerade vom Barcamp Cologne nach Hause (Dank an Franz für’s Mitnehmen!) und wir hörten Stimmen zur gerade gelaufenen Wahl im Radio. War da von Europa die Rede? Mitnichten. Die CSU lobte die Standhaftigkeit des Herrn von Guttenberg oder den Herrn Seehofer oder die CDU freute sich, dass Angela Merkel also doch noch soviel Vertrauen geniessen würde. Nun war mir allerdings gar nicht klar, dass Guttenberg, Seehofer oder Merkel zur Wahl gestanden hätten. Auch die Junge Union twittert:

ju_twitter_1

Auf einen genervten Retweet kommt dann:

und

@mrtopf Im übrigen hat die JU europapolitische Themen in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes gestellt: http://tinyurl.com/qa79tv Mit Erfolg!

Dieses Video aber enthält ja wohl nur die üblichen Kurzaussagen über Türkei und wie wichtig Europa ist usw. und keine wirkliche Themenbeschäftigung. Kann ich leider nicht so richtig ernst nehmen.

Und zu Martin Schulz: Ob es das heisst, bezweifel ich, denn man muss die Wahlbeteiligung da mit einbeziehen und ausserdem annehmen, dass eigentlich kaum ein Wähler wusste, dass der zum Kommissar ernannt werden soll bzw. was denn ein Kommissar überhaupt so macht.

Die Junge Union allerdings twittert weiter fröhlich SPD-Bashing, als ob das alle Probleme dieser Welt lösen würde. Politik as usual könnte man sagen.

Die Rolle der Medien

Ein weiterer Faktor in der anscheinenden Unwichtigkeit Europa’s bilden wohl die Medien. Über nichts wird wohl so wenig berichtet wie über Europa und dass obwohl die Europa-Abgeordneten relativ viel Macht in den Händen halten. So kann ein einziger Abgeordneter sogar viel viel mehr bewegen als sein nationales Pendant, denn auch an die Parteilinie muss man sich nicht unbedingt halten. Wie im Economist diese Woche nachzulesen macht dies nur kaum einer und verschwindet dann lieber bei der nächstbesten Gelegenheit ins nationale Parlament. Denn was bringt dem Abgeordneten all sein Einsatz? Medial zumindest eher nichts, denn es findet sich keiner, der darüber berichtet. Diese mediale Unaufmerksamkeit ist natürlich auch gefährlich, denn man arbeitet relativ unbeobachtet und kann seiner eigenen Agenda fröhnen. Wie problematisch das ist, sieht man immer wieder bei Dingen wie dem Telecom-Paket oder der Vorratsdatenspeicherung. Und auch der Economist befürwortet eine direktere Wahl der Abgeordneten.

Wer ist nun schuld?

Ich denke, es wird von allem ein bisschen, mangelnde Glaubwürdigkeit der Parteien bzgl. Europa (und wohl auch national), mangelende Transparenz des EU-Apparats, mangelnde Einflussmöglichkeiten der Wähler, fehlendes Medieninteresse usw.

Was kann man tun?

Direktwahl von Abgeordneten. Auf die Frage „Do you know how your MEP is?“ auf dem questionsforeurope YouTube channel (auf ‚Have your say‘ klicken) haben 40% mit Ja und 60% mit Nein geantwortet. Und wenn man sich unsere Parteienwahl mit Liste anschaut, so stellt sich doch in der Tat die Frage: Wer ist denn nun eigentlich mein Ansprechpartner? Der Spitzenkandidat? Der mir am nächsten sitzende? Hier könnte eine Direktwahl helfen, vor allem, wenn man sie auch noch mit Posten verbindet. Man könnte weiterhin Abgeordnete auch gezielter abstrafen, als es mit Listenwahl möglich ist.

Mehr Glaubwürdigkeit. Alle reden davon, wie wichtig Europa ist, gehandelt danach wird aber nicht. Schaut man sich den Wahlkampf an, so sieht das mehr nach einer kleinen Nischenwahl aus. Ein wirkliches Budget dafür gab es wahrscheinlich nicht. Auch müsste man mal vom nationalen Ross herunter und nicht passend vor der Wahl noch Opel retten und bei Arcandor antäuschen, sondern die Probleme Europa’s mal thematisieren. So habe ich gehört, dass ein neuer Vertrag geschlossen werden soll. Wer in Deutschland weiss denn überhaupt, was das bedeutet?

Mehr Transparenz. Hier sind Parteien, Medien und die EU-Bürokratie gefragt. Zwar wird immer behauptet, dass Europa ja soviel transparenter sei als nationale Parlamente, versucht man aber herauszufinden, was gerade diskutiert wird oder was der Stand z.B. des Telecom-Paketes ist, so ist man sehr schnell sehr verwirrt, findet die Dokumente nicht (aber wenn, dann sind sie in alle EU-Sprachen übersetzt), vom Entscheidungsprozess überfordert oder weiss nicht, wer nun eigentlich dafür zuständig ist und wen man ansprechen müsste. Oder will man z.B. wissen, wie wer abgestimmt hat, so ist dies auch nicht einfach zu ermitteln sondern es bedarf Seiten wie La Quadrature du Net, die das händisch in ein Wiki eintragen. Wo bleibt z.B. die API? Hier also muss IMHO noch sehr viel dran gearbeitet werden.

Mehr Öffentlichkeit. Die Medien spielen sicherlich eine tragende Rolle darin, was von den Bürgern in welcher Form wahrgenommen wird und was nicht. Europa zählt da wohl zu letzterem. Wie wäre es mit einem Bericht aus Brüssel oder ähnlichem in ARD und ZDF z.B. direkt nach der Hauptnachrichtensendung? Im Moment kommt dies um 21:55 auf WDR. Der richtige Platz? Und ähnliches gilt natürlich auch für Zeitungen und sogar Blogs. Letztere allerdings werden am ehesten das Problem der fehlenden Transparenz haben, um überhaupt zu wissen, worüber man denn nun berichten könnte. Auch eine Übernahme von Sendungen von z.B. EuroNews wäre evtl. sinnvoll, genauso wie ein Live-Stream des EU-Parlaments.

Unabhängige Kandidaten statt Parteien? Der Economist schreibt auch von der Idee, dass es ja in Zukunft evtl. auch mehr pan-europäische Parteien geben könnte, die dann zu einer Stärkung der EU im Wählerinteresse führen würden. Sie sagen aber auch,  dass dies schwierig würde, denn die Ideologien bzgl. einer links-rechts-Ausrichtung bedeuten je nach Land etwas unterschiedliches. Ich aber frage mich, ob sie denn überhaupt in Zukunft noch so wichtig sein werden. Ich frage mich auch, ob denn pan-europäische Parteien mehr Wähler an die Urnen locken würden. Denn eines ist ja wohl sicher: Kennen wird sie keiner, denn sie finden nur auf der im Moment eher ignorierten EU-Ebene statt, an der nationalen Politik nehmen sie nicht teil. Warum dann aber nicht direkt mit den Parteien aufhören und Personen direkt wählen? Dies würde auf Punkt 1 hinauslaufen. Zwar würden die ebenfalls nicht in der nationalen Politik auftauchen, aber wahrscheinlich muss das EU-Aufmerksamkeitsproblem doch eher durch andere Dinge gelöst werden, wie z.B. den oben genannten.

Und nu?

Ein Patentrezept habe ich sicherlich auch nicht, ich würde mir aber die oben genannten Punkte wünschen. Vor allem Transparenz wäre doch sehr wichtig, denn sie ist für eine Demokratie unabdingbar. Und auch wenn bestimmte Abgeordnete davon sprechen, dass die EU ja viel demokratischer sei als viele nationale Parlamente, so mag das von der Abstimmungstechnik her stimmen, von der Transparenz her aber nicht. Und wenn sich keiner dafür interessiert, ist auch jegliche Abstimmungsmechanik für die Katz. Einfach muss es halt sein.

Wer hierzu noch Ideen hat, ist natürlich eingeladen, diese in den Kommentaren kundzutun.

Teile diesen Beitrag