Nachdem ich in diesem Blogpost die Öffentlichkeitsarbeit aus der Sicht eines „18. Sachverständigen“ mal näher untersucht habe, hat mich doch das Sekretariat der Enquete-Kommission direkt mal auf einen Kaffee eingeladen. Über den Kaffee kann ich nun allerdings gar nichts sagen, da ich ein Glas Wasser trank, wohl aber habe ich nun einen besseren Einblick in die Arbeit des Sekretariats und der Enquete gewonnen.
Im Folgenden mal ein paar Punkte, die ich mitgenommen habe, wobei ich auch eigene Anmerkungen, Vorschläge und Ideen einmische.
So kann man zunächst einmal feststellen: Für die bestehenden Strukturen, die sich in den letzten 60 Jahren eine gewisse Art des Politikmachens angewöhnt haben, ist die Enquete auch jetzt schon erstaunlich offen. So tagen zumindest die grossen Runden öffentlich, wo vorher nur die Presse Zugang hatte. Auch Konzepte wie Liquid Democracy oder die Twitter-Präsenz sind natürlich auch neu.
Das ist jetzt auch keine neue Erkenntnis, auch wenn das sich das bei meinem Drängen nach mehr Öffentlichkeit so anhört, aber wenn keiner danach fragt, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass es überhaupt passiert.
Generell habe ich ein sehr motiviertes Team kennengelernt, das für Vorschläge durchaus offen ist, aber natürlich das Problem hat, dass in der Struktur des Bundestages nicht alles ganz so einfach ist. Wer also Feedback geben will, sollte in jedem Fall mal eine Mail an sie schicken.
Wünschenswert wäre zudem vielleicht noch eine Art Sekretariats-Blog, wo aus Sicht des Sekretariats mal dargelegt wird, was gerade in Arbeit ist, was eh schon gemacht wird und wo die Probleme liegen bzw. warum bestimmte Sachen nicht gemacht werden können.
Monitoring
Eine Sache, die man im Sekretariat doch für selbstverständlich hielt, war für mich nun doch eher nicht so selbstverständlich, nämlich, dass sie dort ein Social Media Monitoring durchführen und den Vorsitzenden regelmässig darüber informieren, was gerade in Bezug auf die Enquete im Netz passiert.
Das ist natürlich gut und ich habe angeregt, dass man diese Informationen doch vielleicht auch veröffentlicht, denn nicht jeder hat die Zeit, alles immer zu durchforsten.
Zudem ist es auch so, dass natürlich die Fraktionen selbst dies auch tun, auch hier würde ich mir eine Veröffentlichung wünschen.
Protokolle
Eine Sache, die mich von Beginn an gestört hat, war das Fehlen von Protokollen. 3 Stunden Video sind zwar schön, aber nicht jeder wird sich das anschauen und gerade zur Recherche sind Protokolle definitiv besser.
Erfahren habe ich nun, dass Protokolle von Ausschüssen normalerweise in der Sommerpause angefertigt werden (und die Enquete zählt als Ausschuss) und man sich daher gar nicht im Klaren war, dass es hier anders sein müsste. Schliesslich hat bislang niemand danach gefragt (noch nicht, würde ich im Hinblick auf die anderen Ausschüsse sagen).
Aber man will dies verbessern und das Protokoll der Anhörung zur Netzneutralität sei wohl auch in Arbeit und würde bald veröffentlicht (wenn ich das richtig im Kopf habe).
Die Projektgruppen
Ein grosses Manko ist in meinen Augen, dass die Projektgruppen nicht öffentlich tagen und man somit von Information und Diskussion abgeschnitten ist. Man hört natürlich immer, dass man doch auch Positionspapiere veröffentlichen könne, aber das ist halt etwas schwieriger, wenn man das irgendwie so aus dem Nichts zaubern soll. Eine Diskussion und die Kenntnis von Argumenten hilft hier enorm.
Hier würden also zumindest Protokolle und Arbeitsmaterialien helfen. Für die Veröffentlichung der Materialien aber muss die Projektgruppe sich selbst entscheiden und daher würde ich hier alle Projektgruppen mal dazu auffordern (und anscheinend hat die PG Urheberrecht das auch schon so beschlossen, danke!).
Zumindest aber wird nun vom Sekretariat aus den Projektgruppen berichtet, so wie man schon derzeit auf der Homepage der Enquete sehen kann.
Eine weitere Anregung von mir wäre eine verstärkte Nutzung von Etherpads auch in der Vorbereitung. Warum nicht eine erste Liste von Fragen online stellen und nach weiteren Fragen fragen oder einfach dadurch schon eine Diskussion anstossen?
Ein andaurnder Dialog?
Das Format einer einmaligen Anhörung finde ich nicht das allerbeste, da man im Prinzip ja nur einmal eine Chance hat, Fragen zu stellen. Die Antworten und auch Diskussionen im Anschluss werden mit grosser Wahrscheinlichkeit neue Fragen aufwerfen, dann aber ist die Anhörung schon gelaufen.
Wir haben daher noch kurz diskutiert, ob man nicht eher eine begleitende Befragung von Experten einrichten kann, dass es also nicht einfach ein grosser Block mit vielen Fragen ist und vielleicht auch nicht direkt zu Beginn einer Projektgruppe, sondern dass die Mitglieder der Enquete, aber auch die Öffentlichkeit, auch später noch Antworten bekommen. Die Fraktionen haben dabei vielleicht sogar Zugriff auf einen Experten, bei Otto Normalinternetnutzer ist dies vielleicht schon schwieriger.
Aber so etwas dringt natürlich tiefer in Geschäftsordnungsfragen ein und ist daher nicht ganz so einfach zu machen (und braucht wahrscheinlich eine extra AG).
Die Tools
Wie vielleicht bekannt, gibt es einen internen Etherpad-Server für die PGs und für die Einbindung der Öffentlichkeit hat man sich für Adhocracy entschieden. Was mit aber fehlt ist ein Konzept, wie das Tool überhaupt eingesetzt werden soll. Es gibt zwar dieses Dokument (PDF), aber das definiert nicht so richtig den Kontext. Es soll aber wohl ein genaueres Konzept geben.
Adhocracy soll auch noch erweitert werden. So sieht man ja schon im Forum, dass statt Fragen zu stellen, dort eher schon geantwortet wird. Und solche Dinge sollen dann wohl auch mit Adhocracy gehen. Genaueres gibt dann vielleicht irgendwann jenes Konzept her.
Generell denke ich aber, dass der Erfolg dieser Tools von mehreren Faktoren abhängt:
- Dass man sie laufend den Erfordernissen anpasst und auch Mut zum Experiment hat. Man kann unmöglich vorher schon wissen, wie welche Dinge angenommen werden. Eine geringe Beteiligung sollte nicht als Grund genommen werden, die Online-Beteiligung ganz abzuschalten, sondern als Grund, weiter dran zu arbeiten, sie zu erhöhen.
- Dass die Enquete-Mitglieder diese Tools selbst nutzen. Nur wenn man das Gefühl hat, dass es auch irgendeinen Effekt hat und man sich die Arbeit nicht umsonst gemacht hat, wird die Motivation erhalten bleiben. Klar ist mir natürlich auch, dass einerseits viele Leute nicht nur die Enquete betreuen und andererseits so manch ein Mitglied wahrscheinlich nicht so internetaffin ist, wie wir das gerne hätten.
Grundsätzlich wäre die Frage noch, warum man nicht einfach dorthin geht, wo die Leute eh schon sind, anstatt zu versuchen, die auf die eigene Plattform zu lenken (Stephan Zeidler hat sich z.B. hier dazu geäussert). Ich würde daher immer noch vorschlagen, dass eine Präsenz auf Facebook sinnvoll ist, die USA z.B. macht da gute Dinge. Aber mir ist auch klar, dass wir nicht in den USA sind und dass man hierzulande wahrscheinlich eine größere Diskussion dazu lostreten würde.
Aber auch ausserhalb von Facebook könnte es ja kleinere Angebote geben, die etwas ausprobieren. Hier wäre die Frage, ob und wie man diese einbinden kann und wie man so etwas evtl. noch motiviert.
Fazit
Der richtige Spirit scheint ja schonmal zu herrschen, sowohl im Sekretariat, als auch bei den Fraktionen (bis auf das Live-Streaming der PGs, aber anonymisierte und zeitnah veröffentlichte Protokolle sind vielleicht auch ok, wenn dann auch die Live-Online-Diskussion damit abgewürgt wird, was sehr schade ist). Es wurde sicherlich auch schon viel erreicht, ich hoffe aber, dass noch viel mehr erreicht wird, aber man scheint auf einem guten Weg.
Und danke für’s Wasser und den Keks!