Am Donnerstag war ich, wie berichtet, bei den Medientagen in München zu Gast und das erste Podium, das ich dort mitbekam, war das zu Jugendschutzprogrammen.
Lernen konnte man dabei, dass das mit dem Filtern aufgrund von hohen Overblockingraten gar nicht so einfach sei, dies aber laut Telekom daran lag, dass man lieber auf Nummer Sicher gehen wollte. Inzwischen sei die Technik aber weiter und vor allem gebe es nun einen Labeling-Standard, so dass einer Anbieterkennzeichnung nichts mehr im Weg stehe. Standard, muss man aber dazu sagen, bedeutet ein Standard nur für Deutschland und Standard bedeutet hier auch, dass er in geheimer Runde ausgearbeitet worden ist. Mit offen ist hier also nichts (und mit einfach wohl auch nicht).
Und aufgrund der angeblich weiteren Technik und des Standards sei die Situation nun anders als bei den vorherigen Feldversuchen, die laut KJM allesamt scheiterten.
So gibt es also nun 2 Konzepte von der KJM positiv bewertete Konzepte, was aber noch keiner Anerkennung gleich käme, wie Verena Weigand von der KJM betonte, diese käme erst bei Vorlage und Prüfung der Umsetzung. Die Telekom rechnet dabei laut Gabriele Schmeichel mit einer Anerkennung bis zum Ende des Jahres.
Kernpunkt all dessen ist natürlich die Selbstklassifizierung der Anbieter, zu der die FSM ja auch im Anschluss an das Podium noch ein Selbstklassifizierungs-Tool vorgestellt hat. Schnell und einfach soll es sein, mehr dazu aber im nächsten Post.
Auf dem Podium war man sich auf jeden Fall einig: Jugendschutzprogramme sind alternativlos. Die Gründe sind anscheinend mannigfaltig. „Mit Jugendschutzprogrammen ist es besser als ohne Jugendschutzprogramme“ sagt zum Beispiel Cornelia Holsten von der KJM. Sie forderte daher im nächsten Atemzug direkt die Politik auf, Gelder für Jugendschutzprogramme bereitzustellen, um „ein bisschen schlechtes Gewissen gutzumachen“. Denn wenn dies nicht passiere, so Holsten, werden uns unsere Kinder irgendwann fragen: „Warum habt ihr nichts gemacht, wo ihr die Gefahren schon gesehen habt?“
Man sprach auch weiter von der grossen Verantwortung, die wir tragen würden, insbesondere die Anbieter. Da wäre gar keine Pflicht mehr notwendig.
Aber immerhin wurden auch ein paar Probleme angesprochen: So müssten solche Programme natürlich auch auf allen Devices verfügbar sein, bei User Generated Content effektiver werden und die Möglichkeit des Filtern überhaupt besser beworben werden. Denn, so Gabriele Schmeichel, Vorstandsvorsitzende der FSM und bei der Telekom für das Thema zuständig, die Nachfrage wäre noch nicht so hoch, wie man sich das wünschen würde.
Wer labelt eigentlich?
Jugendschutzprogramme bringen es natürlich aber eh nur, wenn Anbieter ihre eigenen Inhalte entsprechend klassifizieren. Denn eine zentrale Liste, so die einhellige Meinung, sei nicht wünschenswert (und wohl auch kaum machbar).
Von daher eben die Idee, dass die Anbieter ihre Inhalte selbst labeln, denn sie wüssten ja am besten, für welche Altersgruppe diese geeignet seien. Und wenn nicht, dann würde das genannte Tool helfen.
Schmeichel bewarb daher die Labelingmöglichkeit für Anbieter nochmal explizit, denn „unsere Kinder werden es uns danken“. Ausserdem würde es auch die Akzeptanz von Filtersoftware auf Kinder- und Jugendseite stärken, denn „wenn sie viele Inhalte finden, dann müssen sie sich nicht um die Filter herumdrücken und merken gar nicht, dass sie sich in einem beschränkten Raum befinden“.
Und was ist dann mit dem Ausland?
Die Kernfrage beim einer Anbieterkennzeichnung ist natürlich auch weiterhin, was mit ausländischen Inhalten passiert, denn im Ausland wird nicht gekennzeichnet, evtl. mit einem anderen Standard (denn das eingesetzte Protokoll ist ja ein deutsches Erzeugnis, das ausserdem auch mal wieder hinter verschlossenen Türen erarbeitet worden ist) oder aber nach anderen Vorstellungen von Jugendschutz und gesellschaftlichen Werten.
Cornelia Holsten wollte aber vor einer solchen Diskussion warnen, dies als Hemmschuh zu nehmen, sonst hätten wir ja auch kein Widerrufsrecht bei Fernabsatz. Darauf wolle ja auch keiner verzichten. Dass man keine ausländischen Inhalte mehr durchlässt, müsse man daher in Kauf nehmen.
Siegfried Schneider, Vorsitzender des Stiftungsrats der Stiftung Medienpädagogik Bayern und Präsident der BLM, sah dies zusätzlich auch noch als eine Art Exportschlager, ähnlich dem Katalysator. Die Lösung sei nicht, dass wir es nicht machen, nur weil die anderen es nicht machen.
Jugendschutz oder Anbieterschutz?
Das war wohl die einzige etwas provokantere Frage, die von Moderator Christian Stöcker kam, von dem ich mir doch ein paar provokativere Fragen als „Haben Sie getrödelt?“ erwartet hätte.
Denn eines ist klar: Wenn es die Anbieterkennzeichnung gibt, dann können Anbieter wie die Telekom ihre 16er-Inhalte entsprechend gekennzeichnet und ohne Sendezeitbegrenzung ins Netz stellen, was sie im Moment nicht können. Heisst aber im Umkehrschluss, dass für Jugendliche, die kein Filterprogramm installiert haben, dann umso mehr Inhalte zur Verfügung stehen. Seltsamerweise hat das niemand so klar gesagt.
So richtig schön fand die Fragestellung denn auch keiner, „da sie den falschen Eindruck erweckt“. Holsten sagte dazu:
Man kann davon erst sprechen, wenn die meisten Eltern von der Existenz dieser Programme wissen und diese selbstverständlich werden, wie Fahrradhelme oder nicht im Wohnzimmer rauchen.
Das muss also beworben werden. Dann werden die Eltern das als Komfort und nicht als Verantwortungslast empfinden.
Claus Grewening vom VPRT warnte später noch, dass man nicht nur die grossen und bekannten Anbieter an die Kandarre nehmen solle, sondern alle, denn sonst würden diese Anbieter eher ins Ausland abwandern. Er erwähnte zudem die seltsamen Vorstellungen der „Netzgemeinde“, wie z.B. Crowdsourcing-Modelle („da bin ich mal gespannt, was da raus kommt“) oder die Vorstellung, dass eine Filterung in der Klasse von 12-18 eh nicht machbar sei. Er stellte aber klar, dass er sowas natürlich nicht unterstütze.
Fazit
Jugendschutzprogramme sind super. Wovor sie genau schützen sollen, ist aber nach wie vor nicht wirklich klar, ob sie effektiv sind, auch nicht. Man zieht sich darauf zurück, dass man eine grosse Verantwortung trage und unsere Kinder es uns danken werden und in diesem Zusammenhang sei es dann auch ok, z.B. das komplette Ausland wegzufiltern. Auch die Device-Frage war erstmal egal und User Generated Content ebenso. Alternativen oder eine Abwägung von Lösungsvorschlägen, Aufwand und Möglichkeiten gab es nicht, Medienkompetenz wurde z.B. nur mal in einem Nebensatz erwähnt.
Selbst der Hinweis, dass Jugendliche diese Filter einfach umgehen können, wurde in einem späteren Panel noch abgetan. Das sei dann eben so und gehöre zum Jugendlichsein dazu. Wieso dann aber dort das Schutzangebot schon endet, erschliesst sich mir nicht sondern bestärkt mich in der Meinung, dass der JMStV doch sehr kurz gedacht ist.
Und eines ist ja meiner Meinung nach eh klar: Der Großteil der Jugendlichen wird Filter umgehen, denn das gefilterte Internet wird ein sehr, sehr kleines sein, Anbieterkennzeichnung hin oder her.
Mehr Details gibt es in meiner Mitschrift der Diskussion.