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Open Enquete?

Heute auf Twitter kam mal wieder die Frage auf, warum denn im Forum der Internet-Enquete so wenig Leute mitmachen und dies ist Anlass für mich, mal generell über die Offenheit der Enquete-Kommission für Internet und digitale Gesellschaft zu sinnieren.

Zunächst einmal das Gute vorneweg: Diese Kommission arbeitet wahrscheinlich so öffentlich wie keine Kommission zuvor. Es gibt Streams der Anhörungen, es gibt ein Blog, ein Forum und generell eine eigene Internetseite. Es sollen sogar moderne Tools wie Liquid Feedback oder Adhocracy eingesetzt werden. Für uns normal, für den Bundestag sicherlich eine Revolution.

Doch schauen wir einmal genauer hin.

Die öffentlichen Sitzungen

Hier gibt es die grosse Runde mit allen Politikern und Sachverständigen, manchmal als Einführung zu einem Thema (wie zuletzt Medienkompetenz), manchmal als Expertenanhörung.

Diese werden live gestreamt und entsprechend viel los ist auf Twitter, insbesondere bei Anhörungen. Nicht soviel los ist im Forum, dies jedoch wird als einzige Input-Quelle für die Sitzung genutzt. Und genau das ist das Problem. Wenn die Leute an anderer Stelle schon aktiv sind, so sollte man dorthin gehen.

So gab es z.B. zur Anhörung zum Thema „Chancen und Risiken der Digitalisierung in Deutschland“ die Möglichkeit, im Forum Fragen zu stellen, was allerdings doch nur sehr spärlich genutzt wurde, wie z.B. Christian Marx beobachtete. Dies liegt sicherlich auch daran, dass die Hürde recht hoch war, denn

  • man braucht wieder mal einen neuen Account für das Forum (der ePetitions-Account geht wohl nicht, nach Twitter- und Facebook-Logins sucht man gar nicht erst)
  • man stellt die Frage irgendwie im luftleeren Raum. Man weiss nicht, was eigentlich erzählt wird und das meiste fällt einem ja doch erst während der Konversation ein
  • man wusste nicht so genau, wo die Frage gestellt werden sollte, ob in einem Thread oder einem separaten. Vielleicht ein kleineres Problem, aber zusätzlich verwirrend
  • die Frage wurde zunächst moderiert, tauchte also erstmal für andere gar nicht auf, so dass auch dort keine spontane Diskussion starten konnte. Moderiert wird aber wohl inzwischen nur noch nachträglich.
  • man auch nicht wusste, dass man die Frage auch an einen Experten direkt richten konnte, so dass ich mir für die Beantwortung meiner Frage doch jemand anderen gewünscht hätte.

Neben den Expertenrunden, gibt es dann ja noch die Themeneinführungen. Doch meiner Meinung nach, kann man sich die auch komplett sparen, so denn nur jeder sein vorbereitetes Statement vorträgt. Wie wäre es mal mit ein bisschen Brainstorming über die Frage der Medienkompetenz? Da kann im übrigen auch Twitter hilfreich sein.

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass nur sehr wenige Menschen ein 3-Stunden-Video nachträglich anschaun. Von daher wären hier Protokolle hilfreicher.

Die Arbeitsgruppen

Die Arbeitsgruppen tagen hinter verschlossenen Türen. Dafür werden viele Gründe angeführt, wie z.B. Selbstzensur, dass Lobbyisten dann freier reden würden und dass sich sonst die Medien auf jedes unbedachte Wort stürzen. Aber kann ich das gelten lassen? Schliesslich hat man sich ja auch Partizipation auf die Fahnen geschrieben. Das geht aber nicht ohne Information, denn sonst bleibt mir in der Tat am Ende nur das Meckern.

Durch nicht-öffentliche Sitzungen entstehen dann solch Situationen wie nach einer Sitzung der Arbeitsgruppe Netzneutralität, wo es plötzlich eine Stellungnahme des BITKOM gab, die sich so liest, als dass die AG auch Einheitsanschlüsse unter dem Thema Netzneutralität verstehen würde.  Ob dies nun so war oder nicht, weiss man leider nicht und so bleibt das ungute Gefühl in der Magengegend.

Zumindest Protokolle würden hier enorm helfen und laut einer Nachfrage auf Twitter soll es die wohl auch geben, allerdings erst nach 4-5 Wochen. Gesehen habe ich bislang allerdings eh noch keines. Auch wäre es hilfreich zu wissen, wann überhaupt die Arbeitsgruppen tagen, wünschenswert wäre zudem mehr Twitter-Berichterstattung von den Sitzungen selbst.

Meine Hoffnung liegt zudem auf der seit 1.9. aktiven  Online-Redaktion der Enquete und so gibt es immerhin nun das Arbeitsprogramm der Arbeitsgruppe Urheberrecht zum Download, wenn auch nur als PDF und damit nicht kommentierbar.

Auch wenn es bergauf geht, für die Transparenz als solches gibt es noch viel zu tun.

Das Forum

Wie man immer wieder hört, hat das Forum an sich keiner gewollt, doch irgendwie war es plötzlich da, allerdings auch wenig genutzt. Dies liegt natürlich einerseits an den oben genannten Einstiegshürden, aber hinzu kommt auch die Tatsache, dass viele Leute lieber meckern als konstruktiv mitzuarbeiten. Wie aber auch schon angemerkt, bleibt einem normalerweise auch nicht viel anderes übrig.

Weiterhin ist man im Forum recht einsam, soll heissen, dass die Mitglieder der Enquete-Kommission selbst dort nicht mitdiskutieren. Der 18. Sachverständige (wie die Öffentlichkeit genannt wird) diskutiert also eher unter sich, was ja nicht im Sinn der Sache sein kann. Man ist sich ja nichtmal sicher, ob das überhaupt irgendwer liest. Wieso nicht einfach die Statements in das Forum schreiben und dann mitdiskutieren?

Das Blog

Das Blog scheint noch am besten zu funktionieren, so sieht man z.B. bei dem Post von Hubertus Gersdorf zum Thema Netzneutralität in den Kommentaren eine angeregte Diskussion. Das Blog also scheint in die richtige Richtung zu gehen. Mehr Posts wären aber wünschenswert, das können ja auch kurze Zusammenfassungen der letzten AG-Sitzungen sein!

Liquid Democracy-Tools

Interessanterweise (aber wenig wohl überraschend) läuft die grösste Diskussion im Blog über die Frage, ob man nun Liquid Feedback oder Adhocracy für die Textarbeit einsetzt. Dabei ist die Antwort recht einfach: Egal.

Man setzt einfach beide ein und schaut dann im Live-Betrieb, welches sich besser eignet bzw. besser angenommen wird. Beide Projekte sind ja sowieso work in progress. Überhaupt müsste man mehr experimentieren, um den richtigen Mix an Tools zu finden, wobei ja auch nicht jedes Tool durch den Bundestag gehostet werden muss.

Auch setzen die LD-Tools für mich schon zu spät an, denn diese dienen ja dann nur noch mehr oder weniger der Abstimmung, welchen Text man dann nimmt. Man hat natürlich die Möglichkeit, eigene Texte einzureichen, aber es fehlt einem ja dann an dem ganzen Hintergrundwissen. Man weiss nicht, welche Ideen überhaupt besprochen wurden, wie das Für und Wider dort abgewogen wurde, was für Argumente vorgebracht wurden. All dies ist in dem Text nicht mehr zu sehen. Für mich muss Partizipation daher viel früher beginnen.

Fazit

Wie ich schon schrieb, ist dafür, dass es sich um etwas handelt, was im Bundestag stattfindet, schon viel passiert. Dazu will ich allen Beteiligten schonmal meine Anerkennung aussprechen!

Allerdings gibt es auch noch viel zu tun und ich will vor allem den Mitgliedern der Netzcommunity ans Herz legen, doch von dort mehr zu berichten oder zu twittern!

Ich hoffe zudem, dass beim Themenblock Demokratie dann auch ein Plan entwickelt wird, diese Entwicklungen in andere Ausschüsse zu tragen und dies Normalität werden zu lassen.

Der 18. Sachverständige (hoffentlich nicht nur ich) wird es euch danken!

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