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Stimmen zur wahrscheinlich heutigen Verabschiedung des Internetzensurgesetzes

Internet censorship in Germany is dawning as probably today our parliament will pass the respective bill. If you want to know more, read the article on BoingBoing or on netzpolitik.

Heute also ist es soweit, laut diesem Ablaufplan (PDF) ab 17:40 wird über das Gesetz zur sogenannten Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen beraten und abgestimmt. Wie wohl bekannt, hat sich die SPD zu einem faulen Kompromiss mit der CDU/CSU durchringen lassen und feiert dies nun als grossen Sieg, wobei auch der Netzgemeinschaft gedankt wird, wovon ich mich hier distanzieren will. Geändert nämlich hat sich am Gesetz (Word-Dokumente) wenig, ausser dass Dinge aufgenommen worden sind, die eigentlich Selbstverständlichkeiten sein sollten. Was weiterhin nötig wäre, ist jedoch ein komplettes Kippen dieses Vorhabens.

Dazu gibt es durchaus zustimmende Meinungen innerhalb der SPD, so z.B. laut Spiegel Online von Torsten Schäfer-Gümbel:

In jedem Fall wird die Debatte mit einer Entscheidung des Bundestages nicht beendet sein, die offenen Fragen müssen geklärt werden. Deshalb bitte ich nochmals die Argumente zu überprüfen und eine Beschlussfassung des Gesetzes auszusetzen.

Er verweist zudem auf den offenen Brief des Online-Beirats der SPD, der davor warnt die komplette Netzgemeinschaft zu verprellen, vor allem im Hinblick auf den kommenden Internet-Wahlkampf. Weiterhin heisst es:

Sollte es mit der Unterstützung der SPD-Fraktion zu den Netzsperren kommen, werden die unterzeichnenden Mitglieder des Online-Beirats die Beirats- und Repräsentationstätigkeit bis auf Weiteres ruhen lassen.

Anke Gröner hingegen ist einfach nur fassungslos (dem kann ich mich anschliessen) und schreibt:

Ich fühle mich zum ersten Mal in meinem Heimatland nicht mehr so frei wie noch am Tag zuvor. Ich habe das bedrückende Gefühl, dass die Regierung meines Landes, meine Regierung, die ich gewählt habe, ihren Bürgern nicht mehr vertrauen will, mir nicht mehr vertrauen will und glaubt, mir vorschreiben zu müssen, welche Webseiten ich besuchen darf und welche nicht.

und:

Ich kann es nicht fassen, dass es anscheinend genügend Abgeordnete gibt, die das Internet als rechtsfreien Raum wahrnehmen, ohne auch nur fünf Minuten damit zuzubringen, diese Sichtweise zu überprüfen. Ich kann es nicht fassen, dass 130.000 Stimmen einfach ignoriert werden. Und ich kann es nicht fassen, dass meine demokratische Regierung aller Voraussicht nach ein Gesetz beschließen wird, das der erste mögliche Schritt in eine Diktatur sein kann – und dass jeder, der diesen Gedanken ausspricht, als hysterischer Angsthase oder wahlweise als krimineller Pädophiler hingestellt wird.

Und selbst bei den Christen, die ja die CDU zumindest dem Namen nach vertreten will, wird dafür plädiert, gegen dieses Gesetz zu stimmen. So kann man in diesem PDF der Katholischen Jugend u.a. lesen:

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

wir fordern Sie auf, am Donnerstag dem 18. Juni 2009 dem Entwurf eines »Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen« (BT-Drucksachen 16/13125 und 16/12850) nicht zuzustimmen. Wir sehen in diesem Gesetz keine Lösung des Problems der »Kinderpornographie«.

Und man fordert:

Schützen Sie Kinder und Jugendliche wirksam vor sexuellem Missbrauch! Verbessern Sie die Möglichkeiten der Strafverfolgung, setzen Sie sich für eine verbesserte internationale Zusammenarbeit ein! Geben sie sich nicht zufrieden mit letztendlich wirkungslosen Zensurmaßnahmen!

Video gibt es auch, so z.B. ein Beitrag des ZDF-Morgenmagazins von heute:

Thomas Knüwer beim Handelsblatt scheint auch nicht amused von diesem Gesetz, denn so schreibt er:

Es ist ein Dammbruch für die Demokratie und ein zynischer Missbrauch des Leides vergewaltigter Kinder. Wer Kinderpornos bekämpfen will, hat dafür ausreichende rechtliche Mittel – auch im Internet. Was fehlt, sind Kapazitäten für die Ermittler.

Dem kann ich mich nur anschliessen. Und auch bei den Parteien scheint diese Erkenntnis da zu sein, allerdings sieht man selbst keinen direkten Handlungsbedarf, wie z.B. Frau Griefahn schreibt:

Gleichzeitig sind insbesondere die Länder gefragt, die noch mehr Ressourcen zur Verfügung stellen müssen, damit die Täter dingfest gemacht werden können.

Während also anscheinend eine Sperrkompetenz beim Bund gesehen wird, wird bei Geldfragen an die Länder verwiesen. Dabei ist einzig und allein die Geldfrage entscheidend im Kampf gegen Internetkriminalität jedweder Art!

Im übrigen beschreibt Frau Griefahn in diesem Artikel den angeblich grossen Erfolg der Verhandlungen und sie ist es auch, die diesen „Erfolg“ der Netzcommunity mit in die Schuhe schiebt:

Dass wir uns als SPD so weitgehend mit unseren Forderungen durchsetzen konnten, ist ganz klar auch ein Erfolg der Netz-Community.

Daher sei zu vermerken: Nein, es ist kein Erfolg, es ist eine bittere Niederlage!

Ich will Frau Griefahn daher auch von dieser Stelle aus noch einmal auffordern, jegliche Nennung von „Netzcommunity“ zu unterlassen, denn ich als Mitglied selbiger will mit solch faulen Kompromissen nichts zu tun haben oder gar daran mitgewirkt haben!

Und da es gerade reinkommt: Das BKA ist wohl durchaus in der Lage, direkte Mails an ausländische Provider zu schicken und um Löschung von Seiten mit illegalen Inhalten zu bitten. Dies wurde ja von Seiten der Politik immer gern dementiert. Und so löst sich also noch ein weiteres Argument für Sperren in Schall und Rauch auf..

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