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Urheberrechtsschutz mit Augenmaß: YouTube sperren!

Wenn eines im Moment und in Zukunft unsere Gesellschaft und Wirtschaft umkrempeln wird, dann ist es eines: Das Internet. Und ein Bereich, der davon vor allem betroffen ist, ist die Musikindustrie. Aber anscheinend hat ganz Deutschland zum Leidwesen der Kulturschaffenden nur eines im Sinn: Alles frei zu kopieren.

Und zum Thema „Meine Ideen gehören mir“ haben daher die Grünen in Köln am 3.2.2010 zu einer Podiumsdiskussion geladen. Mit dabei:

Zunächst gab es eine kleine Vorstellungsrunde und vor allem die beiden Verbandsvertreter haben erklärt, was sie genau machen. So erklärte Christian Sommer von der GVU, dass sie ca. 80% des Marktes im Bereich Film und Games/Entertainment vertreten und Urheberrechtsverletzungen im Netz verfolgen. Sie arbeiten dabei aber rein strafrechtlich und gehen auch nur gehen die Uploader, also die Quellen vor. D.h. sie verschicken auch keine Abmahnung an Tauschbörsennutzer sondern konzentrieren sich auf die Spitze der Verbreitungspyramide, wie z.B. denjenigen, der im Kino mitfilmt. Dadurch soll die Verfügbarkeit von Raubkopien eingeschränkt werden.

Die VUT vertritt, wie der Name schon sagt, Kleinunternehmen im Bereich Musik und davon ca. 1200 Stück. Auch Stephan Benn vertrat in der Einführungsrunde den Standpunkt, dass man sich vor allem um die Uploader kümmern muss. Er vertrat aber auch die Ansicht, dass man die Konsumenten wieder mehr dazu bekommen muss, CDs zu kaufen, dass man also wieder an die Wertigkeit von Musik erinnern muss.

Nico Kern dagegen bekräftigte, dass die Piratenpartei sich eher für die Rechte der Nutzer einsetzt, aber sie auch nicht die berechtigten Interessen der Kunst- und Kulturschaffenden an der Seite liegen lassen wollen. Es müsse wieder zu einem vernünftigen Verhältnis kommen.

Tom Steinle, der Künstler in der Runde, sieht dagegen Regelungsbedarf beim Staat, vor allem im Hinblick auf eine Vereinfachung im europäischen Markt, wo es z.B. eine Vielzahl von Verwertungsgesellschaften gibt, mit denen man jeweils einen einen Vertrag abschliessen müsste.

Volker Beck sprach bei seiner Einführung direkt die Kulturflatrate an, die es ermöglichen solle, dass nicht mit dem ganzen Repressionsapparat gegen Rechtsverletzer vorgegangen werden müsse. Vor allem Downloadern sollen nicht direkt den Anwalt oder den Abmahnbrief ins Haus bekommen, was gerade bei Jugendlichen ein Problem sein kann, wenn man sein Leben direkt mit Schulden oder Privatinsolvenz beginnt.

Die Kulturflatrate

Laut Volker Beck steht basierende auf einem Rechtsgutachen der Einführung einer solchen Flatrate in Deutschland nichts im Wege. Allerdings sei noch ungeklärt, wie die Ein- und Ausgabenseite genau aussieht. Die Grundidee ist aber folgende: Für jeden Internetzugang (evtl. nach Bandbreite gestaffelt) zahlt der Nutzer einen bestimmten Betrag monatlich. Dafür kann er Musik frei herunterladen, egal aus welchen Quellen. Die eingezahlten Gelder werden dann nach einem noch zu bestimmenden Verteilungsschlüssel, der sich wohl an den Download-Zahlen orientieren soll, an die Künstler verteilt. Modelle wie iTunes oder der eigene Download auf der Musiker-Website sollen aber dadurch nicht verschwinden.

Volker Beck sieht das als einen guten Weg, dem Problem im Musikgeschäft Herr zu werden und sieht es vor allem als einen besseren Ansatz als den der Piraten, die ja nur einfach sagen würden, Musiker mögen sich bessere Geschäftsmodelle ausdenken oder T-Shirts verkaufen. Dies sei weltfremd.

Doch mit der Zuneigung zur Kultur-Flatrate war Volker Beck auf dem Podium wohl alleine. So hat Christian Sommer von der GVU verschiedene Gründe gegen diese Flatrate angeführt und es eine Phantom-Debatte genannt, die vom eigentlichen Problem (oder der Lösung) ablenken solle.

So müsse man bei einer Flatrate erst einmal die folgenden Fragen beantworten:

  • Wie soll man bei einer Kulturflatrate mit dem Jugendschutz umgehen?
  • Wie werden Pornofilme gehandhabt, gleich wie ein Film mit 10 Oscars?
  • Was passiert mit indizierten Filme?
  • Wie sieht das mit den Datenschutzfragen aus?
  • Wie will man Download-Ströme nachvollziehen?

Gerade die letzten beiden Punkte sehe auch ich als problematisch an. So ist die Frage, wie genau man Downloadzahlen ermitteln kann und wie man dies Verfahren gegen Missbrauch schützt. Letzteres geht ja ohne Datenerhebung gar nicht und selbst dann wird es Wege drumherum geben, gerade wenn es um viel Geld geht. Dann nämlich entscheidet nachher derjenige mit der größten Bandbreite, wer wieviel Geld bekommt. Der kleine Musiker von nebenan wird es dann wohl aber nicht sein.

Auch ist die Höhe der Flatrate offen. Es stand bei der Diskussion die Zahl 5 EUR im Raum, Christian Sommer schätze jedoch, dass es wohl eher 50 EUR sein müssten.

Was die anderen Podiumsteilnehmer betraf so sieht Stephan Benn die Lösung nicht in einer Pauschalvergütung, wie es die Flatrate vorsieht sondern es müsse nutzungsbezogen abgerechnet werden. Schaue man sich an, wo im Moment schon Pauschalvergütungen eingesetzt werden, so sieht man auch, dass dies nicht funktioniert (z.B. bei Geräteabgaben). So würde ja die GEMA nicht ohne Grund so häufig kritisiert werden. Auch seien die damals eingeführten Geräteabgaben nicht als Recht auf Privatkopie gemeint gewesen, sondern als Ausgleich dafür, dass der Künstler nicht mehr kontrollieren konnte, wie sein Werk genutzt wird.

Nico Kern wies ebenfalls auf die Datenschutz- und Verteilungsproblematik hin und Tom Steinle erwartete von der Kulturflatrate eh keine riesigen Ausschüttungen und sieht die Problematik auch darin, dass es eine Zwangsabgabe ist. Ähnliches hörte man aus dem Publikum.

YouTube sperren?

Auf die Frage, was man denn als Alternativen sähe, fragt Stephan Benn vom VUT, ob man es nicht schaffen könnte, eine größere Akzeptanz von Schutzmechanismen zu finden.  Man müsse weiterhin schauen, wer denn daran verdiene.

Als einen Beteiligten machte er dann die Provider aus, denn die verdienten ja an den Internetzugängen mit denen diese Down- und Uploads getätigt werden. Er forderte daher eine Störerhaftung für diese, also ganz so, wie es der umstrittene Entwurf des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags vorsieht.

Ein weiterer Nutzniesser, der keine Abgaben zahlt, wäre dann YouTube, denn dort kann man allerlei urheberrechtlich geschütze Songs anhören. Und laut Benn verdient YouTube jährlich Milliarden mit diesen Inhalten ohne im Gegenzug bereit zu sein, Geld auszuschütten.

Auf die Frage von Volker Beck, was man denn dagegen dann machen solle, antwortete Benn:

Dann müssen wir YouTube sperren.

Im nächsten Satz erwähnte er etwas davon, dass man mit Augenmaß vorgehen müsse und am Ende der Veranstaltung wollte er dies aber nur als Provokation zur Verbesserung der Diskussion verstanden wissen („Das [YouTube]  ist was Tolles“).

illegaler File-Download ist wie Spam?

Die These von Christian Sommer von der GVU war dagegen, dass die Leute Musik und Filme nur herunterladen, weil sie es können. Der im Moment stattfindende Run auf die Kinos hat allein mit dem Feature 3D zu tun, dass man (noch) nicht kopieren kann und man deswegen ins Kino muss. Und die Leute sind anscheinend bereit dazu.

Von daher sieht er als einzige Lösung eine technische Lösung, die das Herunterladen verhindert und sieht daher auch hier die Provider in der Pflicht. Seine Argumentation war im Prinzip die folgende:

  • Wenn jemand sagen würde, wir müssten alle E-Mails filtern, würden alle aufschreien
  • Dies passiert aber schon in Form von Spam-Filtern bei den Providern. Und manchmal würden die Spams nichtmal mehr im Spam-Ordner landen, sondern direkt gelöscht werden.
  • Genau dasselbe könnte man mit Downloads machen, die würden sich ebenfalls gut filtern lassen. Netzneutralität würde es ja eh nicht wirklich geben.

(Bei dem letzten Punkt fand dann der Aufschrei aus dem Publikum auch statt).

Als weitere Möglichkeit nannte er eine Verpflichtung der Provider, die User, die illegale Downloads machen, darauf hinzuweisen. Das stände  ja schon in den AGBs drin. Das müsse man nur durchsetzen. Danach könne man ja den Account sperren oder drosseln (also 3-strikes-approach).

Er sieht hier auch den Staat in der Verpflichtung, etwas gegen das Marktversagen online zu tun.

Bewertung der Möglichkeiten

Wir haben also im Prinzip drei Lösungsansätze:

  1. Die Kulturflatrate, also ein Zwischending zwischen GEZ und GEMA
  2. Das Blocken von Websites wie YouTube
  3. Die Totalüberwachung unseres Internetverkehrs.

Die Kulturflatrate hat meines Erachtens mehrere Probleme, wie

  • die Unschärfe des Begriffs „Kultur“, die einen Verteilungskampf nach sich ziehen wird. Wie sieht das z.B. mit mir als Open Source-Entwickler aus? Software wird ebenfalls kopiert, bekomme ich dann auch einen Zuschuss? Oder muss ich doch sehen, wie ich mit andere Arbeit mein Geld reinbekomme? Wie sieht das mit meinen Podcasts und dem dazu notwendigen Equipment aus? Wird mir das dann auch bezahlt?
  • Die Unbeliebtheit einer Zwangsabgabe, die man zahlt, ob man nun Musik herunterlädt oder nicht
  • Das Datenschutzproblem in Konflikt mit einer gerechten Verteilung der Gelder
  • die Unklarheit was mit bestehenden Vertriebsmodellen wie iTunes passieren soll

Das Blocken von Webseiten wurde ja schon in der Debatte um das Zugangserschwerungsgesetz diskutiert und hat viele Probleme, ein paar davon wären

  • Die Gefahr des Overblockings (YouTube besteht nicht nur aus illegalen Inhalten) und die damit verbundene Gefahr für die Informationsbeschaffung im Netz.
  • eine direkte Gefahr für unsere Demokratie, da damit auch eine Zensurinfrastruktur geschaffen würde

Die Filterung von Inhalten beim Provider oder auch die von Benn geforderte Störerhaftung haben ebenfalls viele Probleme, wie

  • die Totalüberwachung der Internetnutzer
  • technisch durch neue Verschlüsselungstechniken immer wieder zu umgehen
  • das Problem, dass die Entscheidung, was rechtmässige Inhalte sind, beim Provider und nicht bei einem Richter liegt (im Endeffekt liegt es bei einer Maschine). Nicht ohne Grund haben sich Bürgerrechtsgruppen wie La Quadrature du Net gegen all diese Formulierungen im Telecoms Package der EU ausgesprochen.
  • weitere Hürden in Deutschland, überhaupt ein Startup hierzulande zu gründen und damit weitere wirtschaftliche Nachteile des Standorts Deutschland

Und auch das Beispiel mit E-Mail hinkt natürlich, denn einerseits sollte der Provider schon gar keine Mails automatisiert löschen. Wenn er dies tut, sollte man schnell wechseln. Und weiterhin kann man sich ja seinen E-Mail-Service frei aussuchen oder den Server selbst betreiben. Eine pauschale Spam-Filterung wäre also nur im Falle einer kompletten Überwachung aller Datenströme machbar.

Somit würde ich all die genannten Möglichkeiten als eher ungeeignet bezeichnen, dieses Problem zu lösen.

Das Hauptproblem ist auch ein anderes: Wie wollen wir mit Wirtschaftszweigen umgehen, die durch aktuelle Entwicklungen überflüssig geworden sind? Ich spreche nicht von Kultur, die hier überflüssig ist, sondern von der Tonträgeindustrie drumherum, da es eben keine Tonträger mehr braucht. Das Geschäftsmodell, was sich seit der Erfindung des Tonträger immer weiterentwickelt hat, ist nicht mehr tragbar. Genau wie der Hufschmied nach Erfindung des Autos nicht mehr so sehr gebraucht wurde und der Heizer zu Zeiten der E-Lok.

Sollen solche „toten“ Geschäftsmodelle auf Teufel komm raus weiter aufrechterhalten werden?

Ich würde da eher Nico Kern zustimmen, dass sich Künstler andere Geschäftsmodelle suchen müssen, denn das Lizenz-Modell ist meines Erachtens tot. Es muss sich vielleicht auch die Industrie umstellen, so dass z.B. ein Komponist von Filmmusik nicht per Lizenz sondern direkt für die Arbeitsleistung bezahlt wird. Also Zeit gegen Geld, so wie das auch in anderen Berufen ist.

Fazit

Ich denke, zwei Dinge kann man derzeit postulieren:

  • Es wird immer Kultur geben, denn der Antrieb Kultur zu schaffen ist kein kommerzieller.
  • Die Bedeutung von Lizenz-Modellen wird sich verringern.

Eine Lösung konnte ja niemand so recht präsentieren und meines Erachtens wäre eine Lösung nur für den Bereich Kultur auch zu eng gedacht oder aber zu schwammig. Am ehesten sähe ich hier noch das bedingungslose Grundeinkommen als Lösung (sollte dies funktionieren), denn dann wäre der existentielle Druck von den Kreativen genommen. Ein Modell bei dem eine einmalig geleistete Arbeit unendlich viel Geld abwirft finde ich eh etwas suspekt. Sicherlich ist es bequem für die, für die es funktioniert, aber für den Grossteil unserer Gesellschaft heisst die Realität „Stundenlohn“.

Aber trozdem muss mehr diskutiert werden, es muss aber auch – und da stimme ich Stephan Benn zu – mehr Wissen in diesem Bereich her. Und da meine ich nicht nur wie er, dass die Beteiligten mehr über die Strukturen der Musikindustrie wissen müssen, sondern sie müssen auch mehr über die technischen Limitationen und auch die Rechtslage wissen. Und jene Diskussionen sollten sich vielleicht nicht so sehr um die Beibehaltung des Status Quo drehen, sondern darum, wie man neue Modelle erschaffen kann. Das mag nicht einfach sein, ist aber meines Erachtens der einzige Weg. Peter Esser hat dazu z.B. beim FutureMusicCamp 2009 in Mannheim eine Brainstorming-Runde gemacht.

Ich würde mir daher ein weiteres FutureMusicCamp oder FutureMediaCamp wünschen, bei dem man mehr in die Tiefe gehen und auch einführende Sessions anbieten kann. Und ich würde mir wünschen, dass beim nächsten Mal auch mehr Politiker und entsprechende Personen aus der Medienindustrie anwesend wären.

Nun, da ich also diesen Blogpost in meiner Freizeit geschrieben habe, wieviel bekomme ich nun per Abruf?

Links zum Thema

Link zur Live-Mitschrift, aus dem dieser Artikel entstanden ist.

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