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Bürgerhaushalt Aachen: Heute Sondersitzung Bürgerforum

Update: Meine Mitschrift der Sondersitzung

Seit meinem letzten Blogpost zur Situation in Aachen ist der aktuelle Stand nun, dass Piratenpartei und Linke eine Sondersitzung des Bürgerforums beantragt haben (denn aus irgendwelchen Gründen findet wohl im Oktober keine reguläre statt). In dieser soll dann das Konzept zum Bürgerhaushalt noch einmal diskutiert werden. Sie findet heute um 18 Uhr im Rathaus statt.

Gut wäre da natürlich, wenn dazu das Konzept auch verfügbar wäre, allerdings ist dies nicht der Fall, abgesehen von einer kurzen Zusammenfassung. Wie aus Piratenkreisen zu hören ist, liegt dies wohl an der Agentur Zebralog, die im Auftrag der Stadt Aachen das Konzept erstellt hat und sich weigert, dies zu veröffentlichen. Man darf sich also fragen, warum sich die Stadt Aachen sich nicht die Nutzungsrechte an dem Konzept hat zusichern lassen.

Bezogen auf die Sondersitzung sind ansonsten die restlichen Fraktionen alle etwas genervt, da man anscheinend auch nicht versteht, warum das Konzept als solches überhaupt diskutiert werden soll (so hörte sich das zumindest bei der Fraktionssitzung der Grünen am letzten Montag an).
Auch habe die Agentur (laut Grünen und anderen Quellen) davon abgeraten, das Konzept noch einmal öffentlich zu diskutieren (!). Man darf sich also weiter fragen, warum eine Agentur, die sich Beteiligung auf die Fahnen geschrieben hat, eine solche im Hinterzimmer diskutiert.

Das Konzept

Viel zum Gesamtkonzept kann man  mangels Veröffentlichung natürlich leider nicht sagen, es bleibt das Kurzkonzept. Die Kernpunkte, die meiner Meinung nach dabei wichtig wären sind:

Informationsphase

Die Bürger werden vor der Beteiligung informiert. Das ist gut. Gerade der Haushalt ist recht komplex und da muss erst einmal klargemacht werden, worum es im Detail geht. In welcher Form dies allerdings geschieht, geht aus dem Minikonzept leider nicht hervor. Ob in diesen Bereich auch Open Data hineinspielt, also die Veröffentlichung des Haushals in maschinenlesbarer Form und ob eine Visualisierung des Haushalts wie z.B. in München geschieht, steht dort z.B. nicht. Zu vermuten ist aber eher, dass dies nicht passiert. Der Haushalt soll aber auf der Internetplattform „leicht zugänglich und verständlich aufbereitet“ werden. Was immer das heissen mag. Eine Veranstaltung zum Thema, um auch Bürger ohne Internetzugang einzubinden oder Fragen zum Haushalt und zur Beteiligung persönlich zu klären, scheint nicht geplant zu sein.

Auch zum Thema Öffentlichkeitsarbeit steht dort nichts. 

Alle zusammen an einem Tisch?

Das Hauptproblem ist ja normalerweise, dass Politik, Verwaltung und Bürger nicht an einem „Tisch“ zusammensitzen und diskutieren. Stattdessen hört sich die Politik an, was der Bürger zu sagen hat, verschwindet dann ins Hinterzimmer und kommt mir irgendwas wieder raus. So wird das wohl auch hier passieren. Zwar wird die Verwaltung Vorschläge einstellen, die dann vom Bürger diskutiert werden können, aber es bleibt wohl beim Bürger. Dazu, dass auch Politik und Verwaltung mit diskutieren werden, steht im Kurzkonzept nichts. Stattdessen heisst es:

Die Rückmeldungen über den Haushaltsrechner und die Kommentare und Bewertungen zu den Vorschlägen der Verwaltung sollen im Rahmen der Beratungen zum Haushalt 2012 diskutiert werden. Die 50 von den Bürgerinnen und Bürgern am besten bewerteten Vorschläge sollen von der Fachverwaltung geprüft und im Haushaltsplanverfahren 2013 diskutiert werden.

Es bleibt offen, ob der Bürger über die Prüfung informiert wird und ob er dann noch einmal Feedback geben oder Vorschläge verändern kann. Er wird also scheinbar nicht in die Beratung seiner Vorschläge eingebunden. 

Insofern stellt sich die Frage, woran der Bürger eigentlich genau beteiligt wird, wenn dann doch nur eine Einweg-Kommunikation vorgesehen ist. Es ist daher zu befürchten, dass der Graben zwischen Politik und Bürger bestehen bleibt und damit auf lange Sicht dem Ziel des Abbaus von Politikverdrossenheit wohl nicht begegnet werden kann.

keine Rechenschaftsphase

Zumindest Transparenz über den weiteren Entscheidungsweg wäre daher notwendig. Der Bürger sollte zumindest informiert werden, was mit seinen Vorschlägen weiter passiert. Dazu wird ab und an eine Rechenschaftsphase diskutiert, bei der dokumentiert wird, was mit den Vorschlägen genau passiert ist. In Aachen aber scheint sie nicht vorhanden zu sein. Man kann also weder während der Haushaltsberatungen nachvollziehen, was mit seinem Vorschlag geschieht, noch danach wirklich einfach.

Es wäre daher zu wünschen, dass eine Beteiligung an den eigentlichen Haushaltberatungen stattfindet. Zumindest sollte ersichtlich sein, warum Vorschläge abgelehnt oder angenommen wurden und welche Kritik an diesen geäussert worden ist. Es sollte auch die Möglichkeit geben, Vorschläge aufgrund von Kritik von Politik oder Verwaltung zu verbessern.

Keine Offline-Beteiligungsmöglichkeit

Wie schon bei der Informationsphase schon angemerkt, gibt es wohl auch in der Beteiligungsphase keine grossen Offline-Beteiligungsmöglichkeiten, zumindest nicht laut dem Konzept im Ratsinformationssystem. In der Zeitung stand etwas davon, dass man Vorschläge auch schriftlich einreichen kann, aber dies natürlich keine richtige Teilhabe an einer Diskussion.
Bürger ohne Internetzugang werden also hier deutlich benachteiligt und selbst für solche mit wäre eine Diskussion in einer Veranstaltung zum Thema sicherlich hilfreich, zudem dann zu hoffen wäre, dass Politik und Verwaltung dann auch vor Ort wären, wenn sie es online schon nicht sind.

Wie weiter?

Nun mag manch ein Ratsmitglied einwenden, dass all die genannten Probleme in den Workshops diskutiert worden sind und es vielleicht gute Gründe dafür oder dagegen gab oder aber, dass das Gesamtkonzept vielleicht dies alles erklärt. Aber genau hier tritt dasselbe Problem auf, wie beim Bürgerhaushalt selbst: Man weiss es eben nicht, da man weder dabei war, noch die Diskussion und in diesem Fall sogar das Ergebnis transparent gemacht worden sind. Man kann nur raten. Es heisst im Kurzkonzept „Folgende […] Beteiligungsformen wurden als sinnvoll erachtet“. Kein Wort also dazu, welche Formen denn überhaupt diskutiert und aus welchen Gründen verworfen oder angenommen wurden.

Die heutige Sitzung

Was also kann heute in der Sitzung eigentlich passieren? Am Konzept kann sicherlich nichts mehr gerüttelt werden, von daher verstehe ich auch den Unmut der Fraktionen. Aber: Wer in Hinterzimmern plant, ist natürlich auch selbst schuld.

Und genau deswegen braucht es einen Bürgerbeirat, der solche Prozesse auf einer Metaebene begleitet. Da der Bürger ja nunmal derjenige ist, der das System nachher benutzen soll, muss dieser auch eingebunden werden. Vielleicht gibt es Ideen, freiwillige Helfer, konstruktives Feedback, Synergie-Effekte mit anderen Städten oder Institutionen, die den Prozess als solches verbessern?

Von daher kann die Forderung für die Sitzung eigentlich nur lauten, dass wir einen Bürgerbeirat, ähnlich wie z.B. in Münster, jetzt definieren und einrichten sollten.

Doch was sollte und könnte der diskutieren? Hier ein paar Ideen:

  • Zunächst einmal Aufklärung, was überhaupt Social Media bewirken kann, denn aus meiner Erfahrung ist das noch für viele ein Buch mit sieben Siegeln.
  • Klärung von Bedürfnissen: Welche Bedürfnisse hat Politik? Welche Verwaltung? Was erwartet der Bürger?
  • Was ist leistbar? Vieles kostet Geld, hier fehlt aber oftmals eine Idee, welchen Kostenrahmen welches Projekt haben kann.
  • Wie können bestehende Beteiligungsformen, wie z.B. das Bürgerforum, verbessert werden? Kennt man das überhaupt? Weiss man wie es funktioniert, was das Ziel dort ist? Wie kann man mehr Menschen erreichen?
  • Wie könnten neue Beteiligungsformen oder Informationsvermittlung aussehen? Wie kann mehr Transparenz geschaffen werden?
  • Ist das Ratsinformationssystem schon das höchste der Gefühle? Was könnte verbessert werden? Wie könnte man es realisieren? Dies sollte schon jetzt und nicht erst kurz vor neuer Ausschreibung diskutiert werden.
  • Mit dem Blick auf andere Städte: Was machen diese? Könnte man dort etwas zusammen machen? So sind ja z.B. auch Bochum und Wuppertal auch schon aktiv.
  • Wie sieht es mit Open Source-Lösungen aus? Gerade zur Kostensenkung könnte dies auf lange Sicht sinnvoll sein, zudem gibt es ja schon viele Tools, die eingesetzt werden könnten (wie z.B. Offener Haushalt).

Und dies ist ja erstmal nur ein kleiner Ausschnitt der Fragestellungen, die man behandeln könnte. Wichtig ist dann natürlich auch, dass die Diskussion in diesem Beirat nicht so ritualisiert abläuft, wie z.B. im Bürgerforum, wo anscheinend nur Anträge diskutiert werden können, die dann meist „zur Kenntnis genommen“ werden. Es sollte eine offene, persönliche Diskussion sein, evtl. auch mit Vorträgen und vor allem öffentlichen Sitzungen. Auch eine Art Barcamp wäre vielleicht auf lange Sicht sinnvoll.

Von daher sollte dies also jetzt eingerichtet werden, nicht erst nächstes Jahr, nicht erst, wenn es wieder drängt. Und es kann nur langfristig sein, denn gerade der Bereich Internet und die damit verbundenen Möglichkeiten sind nicht in 1-2 Sitzungen abzuhandeln.

Auch die Konzeptionierung von Bürgerbeteiligung sollte man  schon als Beteiligungsprojekt sehen. Nur so kommt man zu guten Ergebnissen und kann sie vor allem iterativ verbessern!

 

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