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DLF 50: Auf der Suche nach dem Politischen im Digitalen

Wie schon berichtet, fand am 6. und 7. Januar 2012 ein Kongress anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Deutschlandfunks statt. Das Thema des Kongresses war „Der Ort des Politischen in der digitalen Medienwelt“. Was normalerweise wohl als eine Art Festakt gefeiert würde, war dieses Mal ein Kongress, was schonmal zu begrüssen war.

Veranstaltungsform

Die Art der Veranstaltung war allerdings zumindest am ersten Tag recht klassisch. Es gab diverse Grußworte, verschiedene vorgelesene (und daher einschläfernde) Vorträge und allerlei Podiumsdiskussionen, kurz gesagt also Frontalunterricht ohne Interaktion, wie z.B. Publikumsfragen, überhaupt vorzusehen. Auch die Einbindung dieser neuen digitalen Medienwelt fand eigentlich so gut wie gar nicht statt, die Twitterwall stand im Nebenzimmer und zudem wurde nach der Mittagpause darum gebeten, alle Handys auszuschalten und auf die Internetnutzung zu verzichten, da sie die Live-Übertragung stören könnten. Auch an so Kleinigkeiten wie Strom waren eher schwierig zu kommen und das WLAN, das es zumindest gab, erlaubte keine VPN- oder SSH-Tunnel und war auch ansonsten unverschlüsselt.

Dies ist natürlich kein spezielles Problem des Deutschlandfunks, sondern generell der deutschen Vortrags- und Veranstaltungskultur, die es hauptsächlich auf ruhig schlummernde Teilnehmer als anregende Diskussionen abgesehen zu haben scheint. Dazu aber irgendwann mehr in einem separaten Blogpost.

Ein Lichtblick war da vielleicht das Speedlab, das am zweiten Tag stattfand und sich durch Interaktivität und schnell wechselnde Teilnehmerwechsel auszeichnete und den Teilnehmern anscheinend auch recht gut gefallen hat. Solche Ansätze sollten vielleicht weiter ausgebaut werden.

Journalisten vs. Internet

Inhaltlich schien der Schwerpunkt wieder einmal auf dem grossen Graben zwischen Journalisten und Blogger zu liegen, in diesem Fall von Journalistenseite (wie z.B durch Bodo Hombach) thematisiert, denn Blogger sassen nur im Publikum.

Die Kernauffassung scheint dabei folgende zu sein: Da dank Internet nun noch mehr Informationen ungefiltert auf den Bürger einprasseln und Blogger sich nicht um journalistische Standards kümmern, sind Journalisten, vor allem die vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk, nun gefragter als früher. Sie seien es, die das Relevante aus der Informationsflut fischen (oder Schwimmwesten austeilen, damit der Bürger nicht im Strudel der Informationen ertrinkt, wie Bodo Hombach es in seinem abgelesenen Vortrag beschrieb). Sie seien es auch, die überhaupt recherchieren und die Meinungsvielfalt sicherstellen.

Nicht wirklich Thema waren Bürgermedien wie eben Blogs oder Podcasts. Letztere wurden nur als Zweitverwertung von Radiobeiträgen verstanden. Als Ort des Politischen in der digitalen Medienwelt wurde dies anscheinend nicht mal am Rande in Erwägung gezogen.

Der Intendantenplausch

Wie die Führungsetage des Deutschlandfunks dies alles sieht, konnte man beim DLF-Forum erfahren. Dieses war ein Rundgang durch den DLF, das zeitgleich mit dem Speedlab stattfand, was ich daher leider verpasst habe (leider ging es nicht um Studiotechnik, was mich dann doch interessiert hätte). Die letzte Station dieses Rundgangs war für unsere Gruppe dann die Diskussion mit dem Intendanten, wobei sich in unserer Gruppe zufällig auch noch zwei Mitglieder des Rundfunkrates, ein Verleger, sowie ein Ex-Minister befanden.

Auch hier wurden aber die oben genannten Vorurteile gegenüber dem Internet eigentlich nur bestätigten. So seien Radio und Zeitung gerade jetzt wichtig und bräuchten sich auch einander, so Intendant Steul. Verschwindet das eine, so auch das andere.

In Richtung des Zeitungsverlegers erklärte er daher, dass er insofern auch Verständnis für die problematische Lage der Zeitungsverlage hätte. Dieser stimmte ihm zu und machte nochmal klar, wie schwer es um die Verlage bestimmt ist. Geld liesse sich schliesslich im Bereich Journalismus mit dem Netz nicht oder nur schwer verdienen, war man sich einig.

Ich warf daraufhin ein, dass es natürlich durchaus Angebote im Netz gibt, die Geld verdienen, wenn auch eher im amerikanischen Raum. Zudem machte ich darauf aufmerksam, dass es auch unter Bloggern ja Experten gibt, die teilweise sehr viel tiefer in einem Thema drin sind. Als Beispiel nannte ich fosspatents. Aus diesem Grund solle man doch vielleicht eher eine Kooperation oder klassischen Medien und Bloggern anstreben statt sich zu bekämpfen oder zu ignorieren.

Weiterhin könnten ja Journalisten durchaus versuchen, ihr Wissen auch weiterzugeben, anstatt sich über die angeblich so schlechte Qualität nur zu beschweren.

Dies alles liess man aber nicht gelten. Der Intendant erklärte, dass er den Blogger ja gar nicht kennen würde und daher nicht wissen könne, ob ihm zu trauen sei. Da vertraue er doch lieber auf seine eigenen Leute.

Es bleibt also zumindest auf Führungsebene dabei: Internet wird weiterhin nur als Problem, nicht aber als Chance gesehen. Solange dies so bleibt, befürchte ich, wird auch die tollste Kooperation zwischen Zeitung und Radio nichts nutzen.

Optimistisch ist da eher zu sehen, dass diese Einstellung nicht für den ganzen DLF gilt, denn so manch ein Redakteur hat ja durchaus schon verstanden, wie man das Internet nutzen kann, auch als Diskussions- und Rückkanal oder die Einbindung von Bloggern und Podcastern.

Wo ist der Ort des Politischen in der digitalen Medienwelt?

Ich würde mal sagen, dass diese Frage unbeantwortet blieb, da man sich doch eher auf die klassische Medienwelt fokussiert hat und das Digitale eigentlich nur als Bedrohung daherkam (zumindest bei den meisten deutschen Beiträgen).

Digital scheint für viele nur zu bedeuten, dass man eine Zweitverwertung im Internet durchführt oder man es als neue Herkulesaufgabe ansieht, das Internet für den wohl eher unmündigen Bürger zu ordnen. Einzig die ausländischen Gäste von Guardian und BBC zeigten ein bisschen, wo es langgehen könnte, wenn man denn nur will. Dazu aber müsste wohl auch die Intendantenebene oder der Zeitungsverleger dies wollen.

Dass wir mitten in einem Umbruch stecken, der von Rundfunk und Zeitungen nicht nur begleitet werden muss, sondern sie selbst bis in ihre Grundfesten betrifft, das scheint sich noch nicht wirklich rumgesprochen zu haben.

So endet die Arbeit eines Redakteurs nicht mehr mit der Veröffentlichung eines Artikels oder Beitrags, sondern sie beginnt dann erst in Form der folgenden Diskussion. Konnte man früher nur für ein ganzes Volk entscheiden, was relevant sein könnte (eigentlich ja eh recht vermessen), so kann man dies heutzutage dank neuer Filtermöglichkeiten individuell tun. Hatte man früher nur eine recht eingeschränkte Anzahl von Meinungen, so hat man heute ein viel breiteres Spektrum. Konnte man früher nur konsumieren, kann man heute auch (viel einfacher) antworten und selbst senden. War man früher als Informations-Konsument eher isoliert, ist man heute vernetzt. Musste man sich früher auf eine Handvoll von Medien verlassen, hat man heute die Möglichkeit, sich auf eigene Faust auf Wissenssuche zu machen und Fakten zu vergleichen und selbst einzuordnen.

All diese neuen Möglichkeiten kamen wenn, dann wohl nur am Rande vor. Aber ist nicht genau dort der neue Ort des Politischen? Ja, war er nicht eigentlich immer dort, beim Bürger? Und sehen wir nicht, dass es durchaus eine Spaltung zwischen Bürgermeinung und Berichterstattung in den Medien gibt, wie jetzt beim Fall Wulff? Und ist es nicht wunderbar, dass der Bürger jetzt direkt kommunizieren kann, anstatt sich seine Meinung nur aus meist einer einzigen Zeitung zu bilden?

Ich denke schon, denke aber auch nicht, dass Massenmedien irrelevant werden (sollten). Eher muss man sich ergänzen und da heisst es, dass beide Seiten aufeinander zugehen müssen. Sich gegenseitig vorzuwerfen, wie sinnlos die andere Seite ist, ist leider in dem allermeisten Fällen ebenso sinnlos.

Zum Nachhören geht es übrigens hier lang.

Bemerkung: Ich habe nicht alle Panels mitbekommen, da ich dann doch irgendwann ins Foyer bin, um auch mal zu diskutieren statt nur zuzuhören.

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