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Bürgerhaushalt Aachen: Vorerst gescheitert

Nun ist der Bürgerhaushalt also vorbei. Vom 14.11. bis 11.12. war des den Bürgern Aachens möglich, irgendwie am Haushalt mitzudiskutieren. Doch war es ein Erfolg? War es den Haushaltsposten von ca. 80.000 EUR wert?

Zunächst ein bisschen Statistik

Bevor es in die kritische Betrachtung geht, zunächst ein paar Zahlen.

Es wurden 162 Vorschläge von Bürgern (laut offizieller Seite 167, aber mein Script hat nur 162 gefunden) und 12 Vorschläge von der Verwaltung eingestellt. Eine weitere Unterscheidung in Politikervorschläge gab es leider nicht.

Insgesamt  gab es 100 Sparvorschläge und 40 Ausgabevorschläge, 34 waren ohne Angabe.

Von den Sparvorschlägen wurden im Durchschnitt 77 positiv bewertet (Rating kleiner als 2) und 23 demnach neutral oder negativ. Von den Ausgabevorschlägen waren 26 positiv und 14 neutral oder negativ.

Von den Verwaltungsvorschläge wurde im Durchschnitt die Hälfte positiv bewertet und die andere Hälfte neutral oder negativ.

Wer sich das selbst filtern will, nutzt am besten meine alternative Ausgabe, die ich hier beschrieben habe und die hier zu finden ist. Wer zudem eine eigene Auswertung machen will, findet dort auch eine JSON-Ausgabe zur weiteren Verarbeitung (vielleicht biete ich in Zukunft auch noch Excel an).

Eine grafische Ausbereitung dieser Zahlen gibt es hier.

Nun aber zur Konzeption, Umsetzung und Sinnhaftigkeit der ganzen Aktion.

Konzeption

Wie schon früher angemerkt, begann das alles direkt mit Hinterzimmer-Geklüngel, wo in ein paar Treffen das Konzept unter Ausschluss der Öffentlichkeit erarbeitet wurde. Wobei es wahrscheinlicher ist, dass die meisten Vorschläge, was zu tun ist, schon von der Agentur vorgegeben wurden. Was der Bürger eigentlich erwartet, erwarten kann oder was die Politik sich davon verspricht, es blieb im Dunkeln. Wer nachher die Qualitätssicherung durchgeführt hat ebenso (denn ein paar Sachen hätten auffallen müssen).

Was hier mit einer Missachtung der Öffentlichkeit und des Bürgers schon begann, zieht sich im Folgenden anscheinend auch durch die Durchführung durch.

Umsetzung

Gehen wir einfach mal die Punkte durch, die in der Sondersitzung des Bürgerforums zum Thema behandelt und als wichtig eingestuft wurden.

Information

Zwei Ziele des Bürgerhaushalts waren laut Sondersitzung mehr und bessere Information über den Haushalt und mehr Transparenz. Schauen wir uns aber die Informationsseite an, so erhalten wir kein Mehr an Informationen, sondern es wurden anscheinend nur bestehende PDFs verlinkt, leider aber vergessen  das Fachchinesisch zu erklären (PSP-Element, anyone?).

Auch in den Vorschlägen der Verwaltung befinden sich so gut wie keine konkreten Informationen. So werden kaum Zahlen genannt, keine Alternativen, mögliche Folgen oder Szenarien dargestellt, das hoch komplexe und akute Problem der Alemannia-Verschuldung wird in ein paar Sätzen abgehandelt. Auch in den Kommentaren meldet sich die Stadt (meiner Kenntnis nach) nicht zu Wort. Man stellt also eine Frage ein, ignoriert sie danach aber komplett. So kann natürlich kein sinnvoller Dialog funktionieren, es bleibt beim Monolog.

Auch von Politikerseite wird diese Diskussionsplattform kaum genutzt oder gar eigene Vorschläge zur Diskussion gestellt. Die einzigen Personen, die mir aufgefallen sind, sind Marc und Gunther von den Piraten sowie Michael Servos von der SPD.

Die einzigen, die gut kommuniziert haben, waren die Moderatoren von Zebralog, die allerdings meist nur verkünden konnten, dass Nachfragen an die Verwaltung weitergeleitet wurden. Ob je auch nur eine einzige Rückmeldung kam, entzieht sich auch hier meiner Kenntnis (dies wäre im übrigen eine extra Liste auf der Homepage wert gewesen, ebenso wie eine Kennzeichnung von Politiker-Vorschlägen).

Fazit also: Insgesamt mangelhaft, da die Bürger mit den Themen allein gelassen wurden.

Haushaltsbarometer

Beim Haushaltsbarometer erschliesst sich mir nicht so sehr der Sinn, da die Aufteilung einfach zu grob ist. Wo soll man denn wohl weniger Geld ausgeben? Bei der Verwaltung und damit längere Wartezeiten und schlechteren Service in Kauf nehmen? Oder bei Sicherheit? Bei Verkehr? Hm, vielleicht bleibt dann doch nur Kultur übrig?

Hinzu kommt, dass man ja gar keinen richtigen Überblick hat, welcher Posten überhaupt wie viel Geld verschlingt und was genau darunter fällt. Das kann man sicherlich aus dem Haushalt irgendwie rauslesen, aber wenn das Barometer für die Leute mit wenig Zeit ist, dann hätte man es hier auch direkt dranschreiben sollen.

Weiterhin waren die Plus/Minus-Knöpfe verwirrend, da jeder wohl erstmal denkt, dass Minus weniger Geld ausgeben bedeutet und Plus mehr. Hier war es jedoch genau andersrum, Plus hiess „mehr Sparen“. Dies war  anscheinend auch nach dem Start der Umfrage nicht mehr zu ändern, nur ein Text wurde ergänzt, den aber wahrscheinlich kaum einer gelesen haben dürfte. Man darf also auch hier fragen, wie oft sich Leute mit wenig Zeit hier genau vertan haben und wie aussagekräftig die Zahlen dann sind.

Konzeptionell sollte man hier also nachbessern oder das ganze Modul vielleicht in Zukunft ganz sein lassen. Ich bin zudem gespannt, ob die Politik diese Ergebnisse irgendwie bewerten und Rechenschaft ablegen wird.

Verwaltungs- und Bürgervorschläge

Hier gab es zunächst 12 Verwaltungsvorschläge, die bewertet und kommentiert werden konnten und die angeblich direkten Einfluss auf den Haushalt 2012 haben werden. Weiterhin konnte jeder Bürger in der ersten Hälfte der Befragung eigene Vorschläge einstellen, die aber erst ggf. im Haushalt 2013 eine Rolle spielen sollen.

Insgesamt fand ich die Umsetzung hier etwas lieblos und auch verwirrend, es sah alles etwas mit heisser Nadel gestrickt aus. Das Kästchenlayout war zudem recht unübersichtlich, da man nur ein paar Worte jedes Vorschlags einsehen konnte und man auch die Anzahl der angezeigten Vorschläge nicht erhöhen konnte. Auch das Wiederfinden eines Vorschlags war nicht ganz so einfach, eine Merkliste oder eine Liste der von mir bewerteten oder kommentierten Vorschläge gab es nämlich nicht. Auch fehlten eine Benachrichtigungsfunktion bei neuen Kommentaren sowie eine Einbindung von Social Widgets zur einfachen Verbreitung. Schlussendlich hätte ich mir weitere Filter- und Sortiermöglichkeiten gewünscht.

Bewertungsverwirrung

Der eigentliche Kern der Vorschläge sind ja aber eigentlich die Bewertungen. Mal abgesehen davon, dass man in der Übersicht nur die Anzahl der Bewertungen, nicht aber die aktuelle Bewertung sehen konnte (ganz zu schweigen von der Möglichkeit, danach zu sortieren), war auch die Anzeige der Bewertungen wenig verständlich.

So konnte man zwischen pro, neutral und contra wählen, angezeigt wurden aber Durchschnittswerte von z.B. 1,4 und auch das nur, wenn man eingeloggt war und für mich persönlich auch nur bis Freitag, danach waren sie (zumindest in Google Chrome) verschwunden.

Was aber mag nun 1,4 heissen? Das findet man erst einmal nicht raus, sondern erst, nachdem man selbst mal ein paar Bewertungen abgegeben hat. Dann nämlich weiss man, dass 1=gut, 2=neutral und 3=contra bedeutet und 1,4 demnach eher pro ist.

Hinzu kommt, dass in dieser Ausgabe mit einem einfachen Durchschnitt gerechnet wurde, bei der jetzt freigeschalteten Top-50-Ausgabe aber nur noch pro minus contra, die neutralen Stimmen in diesem Falle also wegfallen. Die Reihenfolge ist daher dort eine andere.

Fazit: Um es positiv zu formulieren: Für die Zukunft ist hier wohl noch viel möglich. Einen Versuch einer besseren Darstellung (soweit mit den verfügbaren Daten möglich), habe ich auf dieser Seite versucht. Leider wurden die konkreten Pro/Contra/Neutral-Stimmen nicht angezeigt, so dass ich diese nicht auslesen konnte.

Wird Bürgerbeteiligung ernst genommen?

Nun kann man die technischen Probleme alle leicht beheben, wichtiger jedoch ist die Frage: Wie ernst nimmt die Politik den Bürger. Will man wirklich in einen Dialog mit dem Bürger eintreten oder ist das nur eine Beschäftigungstherapie oder halt gerade Mode?

Ich tendiere zu letzterem. Das sieht man ganz klar an der Informationspolitik von Seiten der Stadt und der Politik und ganz besonders klar am Fall Alemannia.

Hier stellt man zwar die Frage, ob Alemannia gerettet werden soll, gibt jedoch keinerlei Informationen preis. Man erdreistet sich sogar noch dazu, folgenden Hinweis einzustellen:

Wieso also stellt man diese Frage überhaupt ein? Wie soll denn ein Bürger eine fundierte Entscheidung treffen, wenn jegliche Information fehlt? Ich muss sicherlich auch nicht erwähnen, dass bislang keinerlei Informationen von Seiten der Stadt vorliegen.

Allerdings: Der Stadt selbst liegen natürlich Informationen vor, wie man aus der Zeitung entnehmen kann. Sie weiss auch, welche Szenarien man durchspielt, welceh Lösungsmöglichkeiten diskutiert werden. Der Bürger aber, er hier darüber diskutieren soll, muss das für eine fundierte Diskussion augenscheinlich nicht wissen. Und wieso informieren Politik und Stadt nicht aus erster Hand, sondern überlassen dies der Presse?!?

Schlimmer noch: Informiert werden im übrigen nur die Fraktionen. Einzelkämpfer wie Piratenpartei, UWG oder FWG werden ebenfalls nicht informiert, wie Felix Bosseler, neuer Stadtrat für die Piraten hier berichtet. Und das, obwohl diese Woche darüber abgestimmt werden soll. Selbst abgesehen von Bürgerbeteiligung, aus rein demokratischer Sicht ist dieses Verhalten also schon höchst fragwürdig! Den Verdacht, dass Politik eh immer nur klüngelt, wird man so also kaum loswerden können. Und was das für eine Akzeptanz eines Bürgerhaushalts bedeutet, kann man sich auch selbst ausrechnen.

Bürgerbeteiligung leider schon im Ansatz gescheitert

Insofern ist die Idee einer Bürgerbeteiligung hier schon im Ansatz gescheitert. Vor der Diskussion eines Themas kommt die Information über das Thema. Hier waren Stadt und Politik gefordert und sind absichtlich gescheitert. Fundierte Diskussionen sind damit nicht möglich und damit auch keine fundierten und sachlichen Meinungen.

Wenn man dann noch sieht, dass Politik nur rumjammert (wie in der Fraktionssitzung der Grünen letzte Woche des öfteren geschehen, aber sicherlich bei den anderen Fraktionen nicht anders), dass schon wieder alles in der Zeitung steht, dann kann doch eine solche Befragung eh nur eine Alibi-Veranstaltung sein. Werden die Bürgervorschläge jetzt etwa öffentlich und transparent mit (!) dem Bürger zu Ende diskutiert werden? Das ist wohl eher unwahrscheinlich.

Die Idee, den Bürger mitreden zu lassen oder ihn auch einfach nur zu informieren – und zwar vor Entscheidungen – das ist den Aachener Politikern zu grossen Teilen fremd.  Und wenn Politiker ihre Wähler nicht ernst nehmen, sollten sie auch nicht so tun! So blöd sind Bürger nun ja doch nicht, als dass sie dies nicht merken würden. Darüber, dass dann alle dauernd nur meckern, darf man sich dann natürlich auch nicht wundern, denn was sonst bleibt denn übrig?

Wenn man zudem sieht, dass beim Haushalt 2012 eigentlich nur 500.000 EUR Spielraum bleiben, dann ist der Posten von 80.000 EUR ja fast schon ein Fünftel! Sollte man dieses Geld dann wirklich in solche Projekte investieren, wenn Politik dies nur macht, weil es gerade Mode ist?

Und schaut man sich nur zwei der zu Beginn definierten Ziele an, also mehr Information über den Haushalt und mehr Transparenz, so ist dieses Projekt sowieso schon durchgefallen.

Für die Zukunft

Bevor man solche Projekt startet, sollten sich alle Beteiligten, und das schliesst alle (!) interessierten Bürger mit ein, zusammensetzen und überlegen, wie man zusammenarbeiten will und kann. Politik und Verwaltung müssen sich zudem fragen, in welchen Bereichen sie wie gut und wie schnell informieren können.

Man muss auch diskutieren, ob das Thema Haushalt generell die beste Wahl ist, denn es handelt sich ja um eines der kompliziertesten Themen in einer Stadt. Umso mehr müssen hier zunächst Informationen aufbereitet und einfach verständlich dargestellt werden. Erst dann kann eine irgendwie geartete Beteiligung stattfinden.

Also Information vor Beteiligung!

Am wichtigsten ist es aber, dass Bürger, Politik und Verwaltung zunächst ihre Erwartungen und Möglichkeiten diskutieren. Wenn man persönlich miteinander umgeht und auf einer Ebene diskutiert, dann ist es auch eher einsichtig, warum welche Dinge nicht gehen oder halt ihre Zeit brauchen. Ist man soweit, kann man Ideen entwickeln, wo Beteiligung sinnvoll ist und wo nicht. Ist man nicht soweit, sind solche Projekte  kontraproduktiv. Die richtige Einstellung, nicht das Tool, macht die Musik!

Weitere Reaktionen

 

Update 13.12.2011: Wie Michael Servos unten klarstellt, wird erst im Januar abgestimmt. Es bleibt für mich aber dabei, dass die Stadt besser hätte informieren können und wenn es auch nur ist, was gerade im Moment passiert.

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