Kaum ist man mal auf einer Konferenz, schon passieren 1000 Sachen im Bereich virtueller Welten. Da wäre zum einen der Launch von Google’s eigener virtuellen „Welt“ Lively, worüber TechCrunch z.B. berichtete, dann der Artikel über das Open Grid Protocol und die Linden Lab/IBM-Zusammenarbeit und natürlich die News, dass die Second Life-Landmasse im 2. Quartal 2008 um 44% gewachsen ist.
Schauen wir mal im Detail:
Lively
Lively ist insofern eine virtuelle Welt, als dass sie ihren Benutzern virtuelle Räume anbieten, die im Browser laufen können (definitiv ein Vorteil), zumindest sofern man Windows-Nutzer ist. Dies soll sich aber wohl ändern und Versionen für andere Betriebssysteme seien in Arbeit. Diese virtuellen Räume kann man kopieren und abändern, Möbel dort verschieben und sich natürlich mit anderen Personen dort unterhalten (dazu wird GTalk genutzt).
Natürlich wird direkt wieder das Ende von Second Life heraufbeschworen, aber so direkt sehe ich das noch nicht. Ein paar Gründe:
Lively ist keine zusammenhängende Welt. Dies ist ein Merkmal von Second Life, was ich als relativ wichtig erachte, da man so einfach auf Erkundung gehen/fliegen/fahren kann und so neue Dinge entdeckt. Bei Lively kann man (im Moment) nur die Liste der Räume durchforsten, wobei dies IMHO aber eine recht eingeschränkte Art ist, neue Dinge zu entdecken.
Benutzergenerierte Inhalte sind nicht möglich. Dies bedeutet, dass man die Kreativität der Nutzer nicht ausnutzt. Dies war und ist einer der wichtigsten Faktoren für den Erfolg von Second Life.
Das Protokoll ist nicht offen und es ist ein weiterer Walled Garden, den wir nicht mehr brauchen.
Bezüglich des Browser-Plugins kann man natürlich geteilter Meinung sein. Zum einen ist es ein extra Download (aber das ist Second Life auch) und damit ein Barrier of Entry, zum anderen hat man damit aber natürlich mehr Möglichkeiten, die wohl auch ausnutzen (da ich hier nur einen Mac habe, konnte ich das leider bislang noch nicht selbst ausprobieren).
Wir werden sehen, wie es mit Lively weitergeht. Die oben genannten Punkte können natürlich alle behoben werden. Mit Google ist aber zumindest ein ernstzunehmender Player in diesem Bereich mit von der Partie und das kann sehr viel bewirken.
Die Linden Lab / IBM – Interoperabiltätsankündigung
So gab es gestern folgende grosse Meldung auf dem Second Life-Blog:
This is a historic day for Second Life, and for virtual worlds in general. IBM and Linden Lab have announced that research teams from the two companies successfully teleported avatars from the Second Life Preview Grid into a virtual world running on an OpenSim server, marking the first time an avatar has moved from one virtual world to another.
Und das stimmt natürlich, wobei aber dieses Projekt auch schon länger anhält. Vor allem ist es meiner Meinung nach eine gute Nachricht, da Linden Lab nun auch endlich beginnt, selbst über die Architecture Working Group zu berichten. Denn bislang fand ich mich vor allem auf Konferenzen immer allein auf weiter Flur wieder, wenn ich diese Interoperabiltätpläne vorgestellt habe. Von daher hoffe ich, dass dies nun auch von Linden Lab’s Seite mehr promotet wird.
Etwas jedoch stört mich die Art der Ankündigung, da es IBM hier so in den Mittelpunkt stellt, wo eigentlich die Architecture Working Group im Mittelpunkt stehen sollte (in der auch IBM Mitglied ist). Dies nämlich ist die wichtigere Botschaft: Es sind nicht nur IBM und Linden Lab, die an diesem Projekt arbeiten, es sind viele. Und es sollen mehr werden. Von daher ist es schade, dass IBM hier so in den Mittelpunkt gerückt wird.
In anderen Bereichen geht nämlich auch so langsam einiges ab. Zu nennen sei hier das OpenSim-Projekt selbst, aber auch das von mir mitgegründete pyogp-Projekt, welches darauf abzielt, eine Python-Library für das von der Architecture Working Group zu definierende Open Grid Protocol zu schreiben. Soweit funktioniert der Login und beim Sprint hier auf der EuroPython-Konferenz versuche ich dann noch eine Agent Domain zu implementieren. Dann nämlich hätte man eine komplett von Linden Lab unabhängige Implementierung, was meines Erachtens auch nicht unwichtig ist. Von daher ist es gut zu wissen, dass der von Zha Ewry geschriebene Code (hier mehr Info) nun auch im OpenSim-Mantis aufgetaucht ist. Das eröffnet einiges!
Second Life wächst und wächst und wächst
Linden Lab hat heute die aktuellen Entwicklungszahlen für das 2. Quartal vorgelegt und siehe da: Second Life ist landmässig um 44% gewachsen womit wir dann bei 1,5 Milliarden Quadratmeter virtuellen Landes wären. Auf der anderen Seite haben jedoch Premium-Accounts kein Wachstum erfahren. Der Grund dafür ist wohl einfach in dem uninteressanten Setup dieser Accounts zu suchen, denn man bekommt für sein Geld nicht wirklich etwas, was attraktiv wäre. Linden Lab sagt dazu:
Because land represents nearly 8x more revenue to us than premium accounts, our focus has been on the launching of new land products rather than on enhancing the premium subscription.
Ob das nun auf Dauer Sinn macht ist die Frage, denn ich denke, dass im Lichte der aktuellen Interoperabilitätsentwicklungen es eher wichtiger wird, Services anzubieten. Land bedeutet im Prinzip nur Hosting und Hosting können im Zweifel andere Firmen günstiger oder gar umsonst anbieten. Man schaue auf Google und man sieht, dass es um Services geht, Speicherplatz gibt’s umsonst dazu.
Aber dennoch zeigt diese Meldung, dass Second Life alles andere als tot ist. Schliesslich wächst der Serverpark ja nicht von selbst sondern bedarfsgetrieben. Und ebenfalls interessant ist meiner Meinung nach, dass die Skeptiker in Dingen virtueller Welten so langsam verstummen, denn bei keiner der Ankündigungen sieht man einen exorbitanten Anteil an Stimmen, die virtuelle Welten generall in Frage stellen. Im Gegenteil, in den Kommentaren herrscht doch jetzt eher ein sachlicher Austausch.
Aber die anderen Zahlen Linden Lab’s will ich auch nicht verschweigen:
Die Online-Stunden aller User ist im 8,5% gestiegen, der Concurrency-Level (also die Anzahl der User die zu einem bestimmten Zeitpunkt gleichzeitig eingeloggt sind) ist ein wenig gestiegen (auf knapp unter 67.000).
Transkationen von Benutzer zu Benutzer sind um 14% gestiegen, dies betrifft also den Handel mit virtuellen Gütern.
Das Transaktionsvolumen auf der Währungsbörse Lindex ist um 5% gestiegen. Es wurden also mehr US$ in L$ und andersrum getauscht.
Die Anzahl an profitablen SL-Businesses ist um 9% gestiegen.
Alle weiteren Daten sind als Spreadsheets auf Google Docs verfügbar. Weiterhin gibt es am Freitag eine Sprechstunde zu den aktuellen Zahlen (nehme ich mal an).
Also alles in allem gute News, virtuelle Welten sind weiter auf dem Vormarsch. Wer das nicht erkennt, sollte aufwachen! ;-)